Unternehmensfinanzierung in Zeiten der Corona-Krise – Factoring als ergänzendes Finanzierungsinstrument

Köln, 12.05.2020

Die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Folgen für Unternehmen sind weiterhin die beherrschenden Themen am Markt.

Das öffentliche Leben und die Weltwirtschaft sind in den vergangenen Wochen nahezu zum Erliegen gekommen. Die seit kurzem geltenden Lockerungen im Handel sind ein wichtiger Schritt um das künftige Bestehen der durch fehlende Liquidität belasteten Unternehmen zu sichern. Bei einer Vielzahl der betroffenen Unternehmen wird die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs jedoch nicht ausreichen, um die dramatischen Umsatzeinbußen der vergangenen Wochen zu kompensieren. Die fortwährende Liquiditätssicherung, insbesondere die Nutzung alternativer Finanzierungsquellen, ist daher auch weiterhin das Gebot der Stunde.

In unserem Legal Update vom 23. März 2020 (https://www.goerg.de/de/aktuelles/veroeffentlichungen/23-03-2020/unternehmensfinanzierung-in-zeiten-der-corona-krise-aktuelle-beobachtungen) haben wir aktuelle Beobachtungen der derzeitigen Corona-Krise mit Blick auf die klassische Unternehmensfinanzierung zusammengefasst.

Aus unverändert aktuellem Anlass geben wir nachfolgend einen Überblick zur praktischen Einbindung von Factoring als ergänzendem Finanzierungsinstrument.

Implementierung von Factoring

Auch wenn Factoring gerade im Bereich des deutschen Mittelstands bereits seit Jahren einen festen Platz hat, rückt diese Finanzierungsform gerade in Krisenzeiten immer stärker in den Fokus der CFOs. Insbesondere im Rahmen von LBO-Finanzierungen wird beim Abschluss der Finanzierungsdokumentation jedoch oftmals zu Gunsten von großzügigen Betriebsmittellinien auf die Einbindung eines Factoring-Programms verzichtet.

Gerade in Situationen, in denen ein Zusammenbruch der Lieferketten zu beobachten ist, führen die im üblichen Geschäftsverkehr vereinbarten langen Zahlungsziele oftmals zu existenzbedrohenden Liquiditätsengpässen. In solchen Situationen bietet die Aufnahme einer Factoring-Linie dem Unternehmen die notwendige Sicherheit, dass der Auftrag sofort bezahlt wird und liquide Mittel in die Unternehmenskasse fließen.

Anpassung bestehender Kreditverträge

Beabsichtigt der Kreditnehmer einer bestehenden Finanzierung die Aufnahme eines Factoring, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die bestehende Kreditdokumentation dies erlaubt oder ein Zustimmungsprozess (Waiver) unter Beteiligung der bestehenden Kreditgeber notwendig ist - im Bereich des Sub-Investment Grade wird dies aufgrund umfangreicher Zusicherungen und Auflagen regelmäßig der Fall sein.

Kein Verstoß gegen Zusicherungen (Representations) und Auflagen (Undertakings)

Im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit eines Factorings mit der bestehenden Kreditdokumentation sollte insbesondere auf die folgenden vertragstypischen Regelungen besonderes Augenmerk gelegt werden:

  • Zulässige Finanzverbindlichkeiten (Permitted Financial Indebtedness)
  • Zulässige Verfügungen (Permitted Disposal)
  • Zulässige Sicherheiten (Permitted Security)

Das so genannte non-recourse Factoring (echtes Factoring) gilt zwar in den standardisierten Vertragsmustern der LMA (Loan Market Association) grundsätzlich nicht als Finanzverbindlichkeit (Financial Indebtedness), aus Gründen der Klarstellung sollte das beabsichtigte Factoring jedoch in der Definition der zulässigen Finanzverbindlichkeiten (Permitted Financial Indebtedness) ausdrücklich erwähnt werden. Sofern die Banken die Etablierung eines Höchstrahmens (Basket) fordern, sollte auf einen ausreichenden Puffer geachtet werden, um volatile Geschäftsentwicklungen zu berücksichtigen. Gleichsam muss dem Kreditnehmer der revolvierende Verkauf von Forderungen als zulässige Verfügung (Permitted Disposal) gestattet sein.

Üblicherweise enthalten Factoring-Verträge zu Gunsten des Factors eine Globalzession, die sämtliche oder jedenfalls bestimmte Forderungen aus Lieferungen und Leistung umfasst, unabhängig davon, ob diese vom Factor tatsächlich angekauft werden. Hintergrund ist eine vollumfängliche Besicherung sämtlicher Forderungen des Factors gegen den Kreditnehmer. Ansprüche des Kreditnehmers gegen einen Warenkreditversicherer sind im Regelfalle ebenfalls von der Globalzession zu Gunsten des Factors umfasst. Sofern das Factoring als stilles Factoring betrieben werden soll, sind die Guthaben der relevanten Geschäftskonten (Zahlungseingangskonten) des Kreditnehmers an den Factor verpfändet. Die vorstehenden Sicherungsinstrumente müssen daher ebenfalls als zulässige Sicherheiten (Permitted Security) in der Kreditdokumentation erlaubt sein.

Anpassung bestehender Kreditsicherheiten

Wurden im Rahmen der bestehenden Unternehmensfinanzierung den Banken oder sonstigen Kreditgebern Sicherheiten bestellt, gilt es diese im Hinblick auf das beabsichtigte Factoring anzupassen.

Marktübliche Sicherheitenpakete umfassen unter anderem Globalabtretungen und Kontoverpfändungen. Forderungen aus Lieferung und Leistung sowie Versicherungsansprüche in Bezug auf die an den Factor abzutretenden Forderungen sind daher zunächst durch die Banken freizugeben. Soweit beim Kreditnehmer bestehende Konten auch künftig im Rahmen eines stillen Factorings als Zahlungseingangskonten der Debitoren fungieren sollen, wird der Factor hieran ein erstrangiges Pfandrecht fordern. Bestehende Kreditgeber müssen insofern auf ihr vorrangiges Pfandrecht zu Gunsten des Factors verzichten.

Konfligierende Sicherungsinteressen – Bank vs. Factor

Ein umfassender nachträglicher Verzicht auf Kreditsicherheiten kann aus Sicht der Alt-Finanzierer problematisch sein und bedarf oftmals intensiver Verhandlungen.

Regelmäßig bestehen die Banken auf die Abtretung der Rückgewähransprüche gegen den Factor sowie auf Abtretung der Auszahlungsansprüche gegen den Factor (oftmals als Collection Arrangement Receivables bezeichnet). Während die Abtretung der Rückgewähransprüche in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Probleme aufwirft, muss die Abtretung der Auszahlungsansprüche im Abtretungsvertrag zwischen Kreditnehmer/Kunde und Bank/Sicherheitentreuhänder durch eine so genannte dingliche Teilverzichtsklausel weiter qualifiziert werden. Zum Schutz von Vorbehaltslieferanten des Kreditnehmers, welche diesem Waren nur unter verlängertem Eigentumsvorbehalt unter Vorausabtretung der Ansprüche gegen die Debitoren veräußert haben, müssen die Ansprüche des Kreditnehmers gegen den Factor auf Auszahlung des Kaufpreises grundsätzlich frei bleiben, so dass hieraus zunächst die Vorbehaltslieferanten bedient werden können. Stimmt der Factor einer solchen Abtretung der Ansprüche auf Kaufpreiszahlung zu, handelt er nach Auffassung des BGH rechtsmissbräuchlich.

Praktisch wird dieses Problem durch die Aufnahme einer dinglichen Teilverzichtsklausel oder aufschiebenden Bedingung gelöst. Hiernach steht die Abtretung des Auszahlungsanspruchs an die Bank unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Befriedigung der Vorbehaltslieferanten. Derartige Klauseln sind auch bei der gewöhnlichen Abtretung von Forderungen aus Lieferung und Leistung notwendig, um eine Unwirksamkeit der Zession zu vermeiden – die Aufnahme entsprechender Regelungen im Rahmen der Vertragsverhandlungen /-anpassungen ist daher selten kontrovers.

Problematischer empfinden die Banken den oftmals notwendigen Verzicht auf sämtliche erstrangigen Pfandrechte an substantiellen Kontoguthaben. Sofern das Factoring als offenes Factoring betrieben wird, erfolgt die Zahlung der Debitoren direkt an den Factor, so dass ein Sicherungsrecht der Bank per se ausscheidet. Wird das Factoring als stilles Factoring durchgeführt, sieht der Factoring-Vertrag regelmäßig vor, dass, wie oben bereits beschrieben, die Zahlungseingangskonten zu Gunsten des Factors verpfändet sind.

In Frage käme letztlich nur die Bestellung eines Pfandrechts an dem Erlöskonto des Kreditnehmers/Kunden, also demjenigen Konto, auf welches der Factor die Kaufpreiserlöse zu Gunsten des Kreditnehmers/Kunden überweist. Mitunter begegnen Factoring-Unternehmen der Bestellung eines solchen Sicherungsrechts jedoch ebenfalls kritisch und verweisen auf die rechtlichen Wertungen im Hinblick auf die Abtretung von Auszahlungsansprüchen gegen den Factor.

In der Praxis bemüht man sich regelmäßig mit konstruktiven Lösungsansätzen, um insbesondere dem legitimen Sicherungsinteresse der Banken gerecht zu werden.

Die Optimierung des Cashflows und somit auch die Steigerung der Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers liegen jedoch gerade in Krisensituationen auch im Interesse der Banken. Gerade Factoring als bilanzneutrale Form der Liquiditätsbeschaffung, wird von Banken und anderen Kreditgebern bei ausreichender Berücksichtigung des eigenen Sicherungsinteresses in aller Regel mitgetragen.

Factoring als Stand-alone-Finanzierung

Besteht neben dem beabsichtigten Factoring keine weitere externe Finanzierung, sind die vorstehend diskutierten Aspekte nur im Hinblick auf eine mögliche künftige Bankenfinanzierung relevant.

In jedem Fall sollte das Unternehmen prüfen, welche Form des Factoring (echt/unecht still/offen) unter Berücksichtigung des individuellen Geschäftsmodells am sinnvollsten umgesetzt werden kann. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen kann auch die vollständige Auslagerung der Debitorenbuchhaltung (Full-Factoring) dazu beitragen, dass sich das Unternehmen gezielt auf seine Kernkompetenz konzentrieren kann.

Factoring vs. Reverse Factoring

Vor dem Hintergrund des momentan zu beobachtenden Zusammenbruchs der Lieferketten, rückt neben dem klassischen Factoring auch die Sonderform des Reverse Factoring in das Blickfeld vieler Unternehmen. Insbesondere Unternehmen mit mehrgliedrigen Lieferketten, die darauf angewiesen sind, Waren und Materialien einzukaufen und weiterzuverkaufen, sparen so zunächst ihre Einkaufskosten und verlängern ihre Zahlungsziele. Üblicherweise geht die Initiative beim Reverse Factoring vom Abnehmer aus und nicht vom Lieferanten.

Bei Reverse Factoring (auch als Einkaufs- oder Lieferantenfinanzierung bezeichnet) handelt es sich um eine Form der Umkehrung des normalen Factorings. Der Reverse Factor übernimmt die Zahlungsverbindlichkeit des Abnehmers gegenüber dem Lieferanten (im Gegensatz zum Kauf der Forderungen gegen Abnehmer wie beim klassischen Factoring) und (vor-)finanziert auf diese Weise den Einkauf der Waren für den Abnehmer. Der Abnehmer muss die Forderung innerhalb eines mit dem Reverse Factor vereinbarten Zahlungsziels gegenüber dem Reverse Factor begleichen. Regelmäßig ist das zwischen Abnehmer und Reverse Factor vereinbarte Zahlungsziel deutlich länger als gegenüber dem Lieferanten. Im Gegensatz zum normalen Factoring ist die rechtliche Umsetzung deutlich komplexer, da ein Drei-Parteien-Vertrag unter Beteiligung des Lieferanten Voraussetzung ist. In rechtlicher Hinsicht muss gewährleistet sein, dass die Forderung des Lieferanten an den Reverse Factor abgetreten wird. Die Verhandlung und Integration eines solchen Rahmenvertrags ist oftmals zeitintensiv und daher nur bedingt geeignet akute Liquiditätsengpässe zu beseitigen.

Fazit

Liquiditätssicherung und –planung dürfte für viele Unternehmen der maßgebliche Faktor sein, um die derzeitige Krise zu bewältigen. Anders als in der Finanzkrise 2008/2009, stammen die derzeit betroffenen Unternehmen aus zahlreichen Sektoren der Realwirtschaft. Während die Bekämpfung der damaligen Finanzkrise im Wesentlichen durch eine konsolidierte Fiskalpolitik erfolgte, ist die Ausgangssituation in der gegenwärtigen Corona-Krise komplexer. Die gezielte Bekämpfung eines massiven, sektorübergreifenden Konsumrückgangs, stellt Politik und Wirtschaft vor eine besondere Herausforderung.

Unternehmen können ihre unternehmerischen Handlungsspielräume durch Schonung und Stärkung ihrer Liquidität erhalten. Die Aufnahme von Factoring-Programmen kann hierzu im Einzelfall einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung von Lieferketten durch Factoring hat auch die Bundesregierung erkannt. Am 16. April 2020 hat die Bundesregierung mit den Kreditversicherern eine Rahmenvereinbarung getroffen, wonach die Bundesregierung für das laufende Jahr 2020 eine Ausfallgarantie für Entschädigungszahlungen von bis zu 30 Milliarden Euro übernimmt. Durch diese sinnvolle Maßnahme wird sichergestellt, dass Einbrüche auf Seiten der Warenkreditversicherer nicht auf das Ankaufsvolumen des Factors durchschlagen. Die Ausweitung bestehender oder die erstmalige Aufnahme eines Factorings, kann daher gerade in Krisenzeiten eine sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Finanzierungsquellen sein.

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