Umsatzsteueroption bei Grundstücksverkäufen: Ausübung und Rücknahme nur noch begrenzt möglich

13.10.2017

Einführung – bisherige Praxis

Der Verkäufer einer Immobilie kann auf die Umsatzsteuerfreiheit des Verkaufs verzichten, d. h. zur Umsatz­steuer optieren (sog. Umsatzsteueroption), wenn die Lieferung der Immobilie an einen Unternehmer für des­sen Unternehmen erfolgt (§ 9 Abs. 1 UStG). In der Praxis sind Immobilienverkäufer regelmäßig bestrebt, eine solche Umsatzsteueroption auszuüben, um aufgrund dessen zum Abzug von Vorsteuer aus Eingangsleistungen berechtigt zu sein. Bei Lieferungen (d. h. Übertragungen) von Grundstücken außerhalb des Zwangsversteigerungs­verfahrens kann dieser Verzicht auf die Steuerbefreiung – die Umsatzsteueroption – nur in dem notariell zu beur­kundenden Vertrag erklärt werden (§ 9 Abs. 3 S. 2 UStG).

Für den Erwerber stellt sich im Falle einer Umsatzsteuer­option durch den Verkäufer die Frage, ob er die dann auf den Erwerb der Immobilie anfallende Umsatzsteuer seinerseits als Vorsteuer geltend machen kann. Dies hängt von der Art der Nutzung durch den Käufer und damit regelmäßig von der Frage ab, ob dieser das Objekt künftig umsatzsteuerpflichtig vermieten kann. Immer wenn dies im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses noch nicht feststand, kam bislang eine nachträgliche Umsatzsteueroption oder auch der Widerruf einer zunächst erklärten Option in Betracht. Die Parteien einig­ten sich dann schlicht auf eine entsprechende notariell beurkundete Vertragsänderung in diesem Punkt. Diese Praxis war auch von der Finanzverwaltung anerkannt.

Als zeitliche Grenze der (neuen) Option oder des Wider­rufs der bisherigen Option hatte die Finanzverwaltung bislang die formelle Bestandskraft der Steuerfestsetzung angesehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt den Verzicht auf die Steuerfreiheit und dessen Rücknahme so lange für zulässig, wie die Steuerfestsetzung für das Jahr der Grundstückslieferung anfechtbar oder aufgrund eines sog. Vorbehalts der Nachprüfung noch änderbar ist.

Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 21.10.2015

Mit Urteil vom 21.10.2015 (XI R 40/13, BFHE 251, 474) hatte der BFH die Möglichkeit einer nachträglichen Option stark eingeschränkt, wenn nicht gar zunichte gemacht. Die Formulierung in § 9 Abs. 3 S. 2 UStG, wonach der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens nur in dem notariell zu beur­kundeten Vertrag erklärt werden kann, schließe es aus, eine solche Verzichtserklärung in einer weiteren notariell beurkundeten (Neu-)Fassung dieses Vertrags zu erklären. Vielmehr sei die Option zur Umsatzsteuer nur in dem Verpflichtungsvertrag, der der Auflassung und Eintragung ins Grundbuch vorhergeht, in seiner ursprünglichen Fassung möglich.

Eine konkrete Aussage zur Zulässigkeit des nachträglichen Widerrufs eines Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung ließ sich dieser BFH-Entscheidung allerdings nicht entnehmen.

BMF-Schreiben vom 02.08.2017

Vor wenigen Wochen hat nunmehr das Bundesfinanzministerium (BMF) mit seinem Schreiben vom 02.08.2017 zu dem oben zitierten Urteil des BFH Stellung bezogen.

Danach wird der Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) dahingehend geändert, dass der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden kann. Eine spätere Option zur Umsatzsteuer solle unwirk­sam sein, auch wenn sie notariell beurkundet wird. Insoweit entspricht dies dem dargestellten Urteil des BFH.

Weiterhin ergänzt das BMF aber Abschnitt 9.2 Abs. 9 UStAE um die Aussage, dass Gleiches auch für die Rück­nahme der Umsatzsteueroption gelte. Das bedeutet also, dass die Finanzverwaltung es künftig wohl nicht mehr anerkennen wird, wenn eine einmal im notariellen Kauf­vertrag erklärte Umsatzsteueroption nachträglich in einer notariellen Vertragsergänzung widerrufen wird.

Zwar gibt es gute Argumente, die Optionsausübung oder deren Widerruf in einer notariell beurkundeten Vertrags­änderung dann anzuerkennen, wenn diese Änderung noch vor der Lieferung des Grundstücks erfolgt. Denn dann ist der geänderte Vertrag noch immer derjenige, der der Grundstückslieferung zugrunde liegt. Nur entspre­chende Vertragsänderungen nach Grundstückslieferung würden demnach von der dargestellten Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung betroffen sein und ohne Wirkung bleiben. Sowohl das zitierte BFH-Urteil als auch der geänderte Wortlaut des UStAE ließen ein solches Ver­ständnis zu. Allerdings fehlt es insoweit an einer klaren Formulierung, sodass zumindest vorsorglich damit gerechnet werden muss, dass auch Vertragsänderungen vor der Grundstückslieferung (Besitz-Nutzen-Lasten- Wechsel) nicht mehr anerkannt werden.

Auswirkungen auf die Praxis

Für Grundstückskaufverträge ist nunmehr davon auszugehen, dass eine einmal erklärte Umsatzsteueroption nicht mehr rückgängig gemacht und eine zunächst unterlassene Umsatzsteueroption nicht mehr nachgeholt werden kann. Daher ist noch sorgfältiger als bisher zu prüfen, ob und in welchem Umfang auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichtet werden soll.

Zu beachten ist aber, dass nach dem BMF-Schreiben vom 02.08.2017 Vertrauensschutz in Fällen von notariellen Vertragsergänzungen oder -änderungen noch bis zur for­mellen Bestandskraft der betreffenden Jahressteuerfest­setzung in Betracht zu ziehen ist, soweit die Erklärungen vor dem 01.01.2018 abgegeben werden. Ggf. sollten also entsprechende Vertragsänderungen noch in diesem Jahr umgesetzt werden.

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