Kein Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten bei Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert

24.06.2020

SonderkündigungsschutzEntscheidung

Mit Urteil vom 5. Dezember 2019 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten mit dem Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert endet (BAG, 5.12.2019 – 2 AZR 223/19).

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Jahr 2010 wurde der Arbeitnehmer zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren bei der Arbeitgeberin zwischen zehn und dreizehn ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigte Mitarbeiter angestellt. Im Jahr 2017 kündigte die beklagte Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers ordentlich. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs beschäftigte die Arbeitgeberin noch acht mit der Datenverarbeitung betraute Personen. Der Arbeitnehmer berief sich zur Begründung seiner Kündigungsschutzklage auf den mit seiner Stellung als Datenschutzbeauftragter einhergehenden Sonderkündigungsschutz.

Das Arbeitsgericht Frankfurt gab dem Arbeitnehmer Recht. Die Berufung der Arbeitgeberin wurde durch das Hessische Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht gab nun jedoch der Arbeitgeberin Recht: Auf den Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte könne sich der Arbeitnehmer nicht berufen. Zwar habe zum Zeitpunkt der Bestellung im Jahr 2010 eine Bestellpflicht bestanden und der Kläger sei auch wirksam zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Ein zwischenzeitliches Absinken der Beschäftigtenzahl unter den gesetzlichen Schwellenwert führe jedoch zum Entfallen des Sonderkündigungsschutzes, ohne dass es eines Widerrufs der Bestellung bedürfe. Denn der Sonderkündigungsschutz knüpfe nicht vergangenheitsbezogen an die ursprüngliche Bestellung, sondern an eine gegenwärtige Pflicht zur Bestellung an („Ist nach Absatz 1 ein Beauftragter für den Datenschutz zu bestellen (…).“).

Reduziere sich die Zahl der mit der Verarbeitung personenbezogener Daten betrauten Personen, sei der Sonderkündigungsschutz ungerechtfertigt. Bestehe keine arbeitgeberseitige Bestellpflicht, bedürfe es auch keines die Unabhängigkeit absichernden Sonderkündigungsschutzes mehr. Gleichzeitig betonte das Bundesarbeitsgericht, dass mit Unterschreiten des Schwellenwerts der einjährige, nachwirkende Kündigungsschutz beginne.

Da das Landesarbeitsgericht zum Zeitpunkt des Unterschreitens des Schwellenwerts und damit zum Beginn des nachwirkenden Kündigungsschutzes keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte, hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Dabei gab es dem Landesarbeitsgericht noch einen Maßstab an die Hand: Wann die Schwellenuntergrenze erreicht sei, hänge nicht von der tatsächlichen Beschäftigtenanzahl, sondern von der regelmäßigen Beschäftigtenzahl ab. Bei der Feststellung seien daher kurzfristige Schwankungen unberücksichtigt zu lassen.

Praxisrelevanz

Übertragbarkeit der Erwägungen

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist zwar zum alten – vor Mai 2018 geltenden – Recht ergangen; die Argumentation des 2. Senats kann aber in Anbetracht der teilweisen Wortgleichheit auch für die neuen Vorschriften des BDSG nach Inkrafttreten der DSGVO nutzbar gemacht werden.

Ende des Sonderkündigungsschutzes

So hat sich im Hinblick auf die Bestellpflicht lediglich die diese auslösende Mindestzahl von datenverarbeitenden Beschäftigten geändert. Diese liegt, statt wie bisher bei 10 Personen, nunmehr bei 20 Personen (§ 38 Abs. 1 S. 1 BDSG). Diese bereits seit 26. November 2019 geltende Anhebung des Schwellenwerts führt zu einer gewissen Entlastung kleinerer Unternehmen. Zugleich ist in Unternehmen mit mehr als zehn aber weniger als zwanzig datenverarbeitenden Beschäftigten schlagartig eine Vielzahl von Datenschutzbeauftragten zu „freiwilligen“ Datenschutzbeauftragten geworden. Am 26. November 2019 hat damit in diesen Fällen auch der einjährige, nachwirkende Kündigungsschutz begonnen. Mit Ablauf des 25. November 2020 werden daher eine Vielzahl von Datenschutzbeauftragten wieder ordentlich kündbar.

Konsequenzen

Gerade in kleineren und mittleren Unternehmen müssen Datenschutzbeauftragte stets damit rechnen, infolge des Absinkens der Beschäftigtenzahl ihren Sonderkündigungsschutz gemäß § 38 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG zu verlieren. Allerdings ist zu bedenken, dass dem einstigen Datenschutzbeauftragten weiterhin der einjährige, nachwirkende Kündigungsschutz gemäß § 38 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 3 BDSG zugutekommt.

Es kann sich daher anbieten, von der Möglichkeit der Benennung eines externen Datenschutzbeauftragten Gebrauch zu machen.

Ausblick

Ausdrücklich offen gelassen hat der Senat die Frage, ob der entsprechende Arbeitnehmer wieder als mit Sonderkündigungsschutz ausgestatteter Datenschutzbeauftragter anzusehen ist, wenn der Schwellenwert abermals überschritten wird und in der Zwischenzeit kein Widerruf der Bestellung erfolgt ist. Das Bundearbeitsgericht neigt dazu – soviel wird deutlich – ein derartiges „Aufleben“ anzunehmen.

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