Datenschutz im betrieblichen Eingliederungsmanagement

Köln, 09.08.2023

Im Zusammenhang mit Erkrankungen von Arbeitnehmern hat sich das Instrument des betrieblichen Eingliederungsmanagements, kurz „BEM“, etabliert. Das BEM – oder besser: dessen Unterlassen – erlangt vor allem dann Bedeutung, wenn eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden soll. An dieser Stelle wird es in der betrieblichen Praxis kompliziert. Denn in den letzten Jahren sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einleitung des BEM stetig erhöht worden. Dem Einladungs- und Informationsschreiben kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu. Lehnen Arbeitnehmer das Angebot auf ein BEM ab, wird – nach Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung – in einem späteren Prozess geprüft, ob das Einladungsschreiben korrekt erstellt worden ist. Schon kleine Ungenauigkeiten können hier mittlerweile dazu führen, dass eine Kündigung unwirksam ist. Von enormer Bedeutung ist daher eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die das Verhältnis zwischen BEM und Datenschutz justiert (Urteil vom 15. Dezember 2022, 2 AZR 162/22).

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Klägerin war im Mai 2019 bereits rund fünf Jahre arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber bot ihr ein BEM an und ließ ihr ein entsprechendes Einladungs- und Informationsschreiben zukommen. Bestandteil der Unterlagen war eine vorformulierte datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung. Die Klägerin erklärte, an dem BEM teilnehmen zu wollen; allerdings unterschrieb sie die datenschutzrechtliche Einwilligung nicht. Daraufhin erklärte der Arbeitgeber, dass ein BEM nicht durchgeführt werden könne, da die Erhebung personenbezogener Daten notwendig sei.  Der Arbeitgeber beantragte daraufhin die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt, welche auch erteilt wurde. 

Trotz der Zustimmung des Integrationsamtes erklärte das Bundesarbeitsgericht die Kündigung für rechtswidrig. Im Urteil weist es darauf hin, dass der Einladungsprozess formal fehlerhaft gewesen sei. Der Arbeitgeber habe das Verhältnis des BEM zum Datenschutz falsch interpretiert. Nach § 167 Abs. 2 S. 4 SGB IX ist es zwar die Aufgabe des Arbeitgebers, Arbeitnehmer über die Ziele des BEM sowie über Art und Umfang der verwendeten Daten aufzuklären. Das Gesetz enthalte hingegen nicht die Verpflichtung, die Unterzeichnung einer Einwilligungserklärung für die Verarbeitung personenbezogener (Gesundheits-) Daten einzufordern.

Mit anderen Worten: Wünscht ein erkrankter Arbeitnehmer die Durchführung eines BEM, muss dieses auch dann begonnen werden, wenn die Einwilligung zur Datenverarbeitung nicht erteilt wird. Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass man sich auch ohne Einwilligung zunächst ergebnisoffen hätte zusammensetzen müssen. Die Ziele und Möglichkeiten eines BEM hätten zunächst gemeinsam erörtert werden müssen. Die Notwendigkeit zu einer möglichen Datenerhebung hätte später noch geklärt werden können. Da der Klägerin diese Möglichkeit genommen worden sei, erweise sich die Kündigung wegen des fehlerhaften BEM als unverhältnismäßig.

Praxishinweise

Die umfangreiche Rechtsprechung zum BEM ist um eine Facette reicher und die korrekte Abfassung einer BEM-Einladung mithin zur Herausforderung mit ggfs. weitreichenden Folgen für Arbeitgeber geworden. Selbst bei größtmöglicher Sorgfalt besteht das Risiko, dass ein Gericht einen – bislang unbekannten – Formfehler identifiziert. Der Arbeitgeber im oben genannten Verfahren hat ersichtlich, gerade auch den Datenschutz betreffend, alles richtigmachen wollen. Diese Vorsicht wurde ihm jedoch zum Verhängnis. Die Entscheidung gibt Arbeitgebern Anlass, die zur Einleitung eines BEM verwendeten Unterlagen noch einmal kritisch zu überprüfen. Eine ordnungsgemäße BEM-Einladung muss u.a. Folgendes enthalten:

  • Hinweis auf die Freiwilligkeit des BEM für den Arbeitnehmer (Das Angebot ist für den Arbeitgeber hingegen verpflichtend!)
  • Hinweis darauf, dass es sich um einen ergebnisoffenen Prozess handelt (Das Gesetz regelt nicht die Ausgestaltung des BEM.)
  • Hinweis auf möglicherweise zu beteiligende Personen (Das Hinweisschreiben muss dem Arbeitnehmer die Auswahl freistellen.)
  • Hinweis über die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der zu erhebenden (Gesundheits-) Daten.
  • Hinweis, dass die Abgabe einer datenschutzrechtlichen Einwilligung nicht zwingend ist.

Eine datenschutzrechtliche Einwilligung sollte hingegen nicht mehr mit dem Einladungsschreiben eingefordert werden. Dies sollte frühestens nach dem ersten Gespräch erfolgen. Jedenfalls aber muss eine BEM-Einladung den Hinweis enthalten, dass die Abgabe einer datenschutzrechtlichen Einwilligung nicht zwingend ist.

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