Die EU-Notfallverordnung zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien und ihre Umsetzung in deutsches Recht

Köln, 10.03.2023

Am 03.03.2023 verabschiedeten Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes und anderer Vorschriften („Gesetz“). Durch dieses Gesetz setzt Deutschland u. a. Handlungsspielräume zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien um, die durch die Europäische Union mit der Verordnung 2022/2577/EU vom 22.12.2022 („Verordnung“) geschaffen wurden.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die einzelnen, mitunter komplexen Änderungen für Genehmigungsverfahren, die durch die Verordnung und ihre nationale Umsetzung geschaffen wurden.

Zeitlicher Anwendungsbereich

Die Verordnung gilt gemäß Art. 1 Abs. 2 unmittelbar für alle Verfahren, deren Beginn innerhalb ihrer Geltungsdauer liegt. Da die Verordnung gemäß Art. 10 lediglich für einen Zeitraum von 18 Monaten ab ihrem Inkrafttreten gilt und deshalb mit Ablauf des 23.06.2024 außer Kraft tritt, ist sie direkt nur auf diejenigen Verfahren anwendbar, die zwischen dem 23.12.2022 und dem 23.06.2024 begonnen werden.

Der Bundesgesetzgeber hat in § 6 Abs. 2 WindBG, § 72a Abs. 3 WindSeeG und § 43m Abs. 3 EnWG für On- und Offshore-WEA sowie für besondere Netzausbauvorhaben in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 3 der Verordnung dem Antragsteller ein Wahlrecht eingeräumt, wonach die dort vorgesehenen Verfahrenserleichterungen auch auf vor Inkrafttreten des deutschen Gesetzes begonnene Verfahren Anwendung finden können. Für die Verfahrenserleichterung für Solarparks nach § 14b UVPG erhält der Vorhabenträger sogar ein erweitertes Wahlrecht, mit dem er die Anwendung sowohl für bereits laufende als auch für nach dem Inkrafttreten des deutschen Gesetzes begonnene Verfahren bestimmen kann.

Die Kommission kann zudem gemäß Art. 9 S. 3 vorschlagen, die Geltungsdauer der Verordnung zu verlängern.

Keine UVP und artenschutzrechtliche Prüfung, wenn in Gebieten mit strategischer Umweltprüfung, Art. 6

Eine der wohl maßgeblichen Verfahrenserleichterungen bietet Art. 6, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, für Projekte in den Bereichen der erneuerbaren Energien, der Energiespeicherung sowie der Stromnetze, auf die zeitaufwändigen Umweltverträglichkeitsprüfung („UVP“) und artenschutzrechtlichen Prüfungen („ASP“) zu verzichten, sofern sich das Vorhaben in einem für diese Vorhaben ausgewiesenen Gebiet befindet, für das eine strategische Umweltprüfung („SUP“) durchgeführt wurde.

Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Befugnis für die unterschiedlichen Vorhabenarten jeweils gesondert Gebrauch gemacht, so für Solarparks in § 14b UVPG, für Onshore-WEA in § 6 WindBG, für Offshore-WEA in § 72a WindSeeG sowie für den Netzausbau in § 43m EnWG. Dieser Beitrag beleuchtet im Folgenden exemplarisch § 6 WindBG für Onshore-WEA sowie § 16b UVPG für Solarparks.

Keine UVP und ASP für Onshore-WEA, wenn Errichtung in Windenergiegebieten mit SUP, § 6 WindBG

Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 WindBG ist im Genehmigungsverfahren über die Errichtung und den Betrieb oder die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer WEA in einem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgewiesenen Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 WindBG eine UVP und eine ASP nicht durchzuführen. Dies gilt allerdings nur, wenn bei der Ausweisung des Windenergiegebiets eine Umweltprüfung nach § 8 ROG oder § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt wurde und soweit das Windenergiegebiet nicht in einem Natura-2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark liegt.

Ein Absehen von einer UVP und einer ASP ist also möglich, wenn

  1. die WEA in einem Windenergiegebiet liegen,
  2. für das Windenergiegebiet eine Umweltprüfung stattgefunden hat und
  3. das Windenergiegebiet nicht in einem besonders geschützten Gebiet liegt.

Da Umweltprüfungen bei der Aufstellung von Plänen seit 2004 gesetzlich vorgeschrieben sind, dürfte diese Voraussetzung bei ab 2004 in Kraft getretenen Plänen erfüllt sein.

Durch den Verzicht auf UVP und ASP kann eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung erzielt werden, da diese Prüfungen mitunter mehrere Jahre andauern können.

Der Verzicht auf UVP und ASP bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass keine artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen zu beachten sind. Vielmehr hat nach § 6 Abs. 1 S. 3 WindBG die zuständige Behörde auf Grundlage vorhandener Daten geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen anzuordnen, sofern die Daten eine ausreichende räumliche Genauigkeit aufweisen und zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag nicht älter als fünf Jahre sind.

Als Beispiel zum Schutz von Fledermäusen benennt § 6 Abs. 1 S. 4 WindBG eine Abregelung der WEA, die auf Grundlage einer zweijährigen akustischen Erfassung der Fledermausaktivität im Gondelbereich anzupassen ist. Damit wird eine in der Praxis übliche Maßnahme ausdrücklich für geeignet erklärt, sodass im Regelfall weitere Maßnahmen zum Schutz von Fledermäusen nicht erforderlich sein dürften.

Eine erhebliche Besonderheit und Neuerung sieht nun § 6 Abs. 1 S. 5 bis 11 WindBG vor. Soweit geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen nicht verfügbar oder Daten nicht vorhanden sind, hat der Betreiber eine Zahlung in Geld zu leisten, die mit der Genehmigung festzusetzen und jährlich zu entrichten ist. Auch wenn also ein artenschutzrechtlicher Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG nur durch Minderungsmaßnahmen behoben werden kann, diese aber nicht verfügbar sind, oder aber ein Verstoß mangels vorhandener Daten nicht sicher auszuschließen ist, ist keine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich, sondern ist die Genehmigung zu erteilen. Erforderlich ist dabei „lediglich“ eine jährliche Zahlung an den Bund, der diese für nationale Artenhilfsprogramme verwendet.

Die Höhe dieses Geldbetrages beträgt nach § 6 Abs. 1 S. 7 WindBG

  1. 450 EUR je MW installierter Leistung, sofern Schutzmaßnahmen für Vögel angeordnet werden, die die Abregelung von WEA betreffen, oder Schutzmaßnahmen, deren Investitionskosten höher als 17.000 EUR je MW liegen;
  2. ansonsten 3.000 EUR je MW installierter Leistung.

Keine UVP für Solarparks, wenn in Gebieten mit strategischer Umweltprüfung, § 14b UVPG

Für Bebauungspläne bezüglich Solarparks, die im Außenbereich errichtet werden, ist nach Anlage 1 Nr. 18.7 UVPG bei einer zulässigen Grundfläche von 100.000 m2 oder mehr zwingend eine UVP, bei einer zulässigen Grundfläche von 20.000 bis 100.000 m2 eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen.

Hiervon sieht nun § 14b Abs. 1 UVPG eine Ausnahme für den Fall vor, dass der Solarpark in einem Gebiet liegt, für das in einem Plan Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie vorgesehen sind, falls bei Aufstellung dieses Plans eine SUP durchgeführt wurde.

Maßgeblicher Unterschied zwischen § 14b UVPG und § 6 WindBG besteht darin, dass § 14b UVPG nur von der Verpflichtung zur Durchführung einer UVP entbindet. Eine ASP ist weiterhin erforderlich.

Überwiegendes öffentliches Interesse auch auf europäischer Ebene, Art. 3

Daneben sieht Art. 3 Abs. 1 der Verordnung vor, dass für die Zwecke bestimmter EU-Richtlinien die Erzeugung von erneuerbarer Energien und zum Netzausbau im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dient.

Diese besondere Privilegierung gelangt insbesondere bei der Ausnahmevorschrift des § 34 Abs. 3 BNatSchG für FFH-Gebiete und weiterer Natura 2000-Gebiete zur Anwendung. Die Erzeugung erneuerbarer Energie gilt aufgrund Art. 3 Abs. 1 nun als ein zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG, sodass § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG für Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energien und zum Netzausbau als erfüllt gilt und ein Vorhaben ggf. auch dann zugelassen werden kann, wenn es nach § 34 Abs. 2 BNatSchG aufgrund negativer Verträglichkeitsprüfung eigentlich unzulässig wäre.

Voraussetzung für eine ausnahmsweise Zulässigkeit ist allerdings gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG immer noch, dass zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

Vereinfachte Regeln für Repowering, Art. 5

Auch für das Repowering von Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energien und Netzinfrastruktur hält die Verordnung Verfahrensbeschleunigungen bereit. So dürfen die Genehmigungsverfahren hierfür nur sechs Monate dauern, Art. 5 Abs. 1.

Ist für das Repowering daneben eine UVP erforderlich, beschränkt sich diese auf eine Delta-Prüfung, also nur auf eine Prüfung der allein durch das Repowering verursachten Auswirkungen, Art. 5 Abs. 3. Bei dem Repowering für Solaranlagen, für die keine zusätzlichen Flächen erforderlich sind, gilt für diese keine UVP-(Vorprüfungs-) Pflicht mehr, Art. 5 Abs. 4.

Weitere Verfahrenserleichterungen

Daneben sieht die Verordnung die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Solaranlagen auf „künstlichen Strukturen“, also insbesondere Gebäuden vor, Art. 4 Abs. 1. Zudem ist eine Genehmigungsfiktion für Solaranlagen mit einer Kapazität von höchstens 50 kW vorgesehen, wenn die zuständigen Behörden innerhalb eines Monats nach Antragstellung keine Antwort übermittelt haben, Art. 4 Abs. 3. Außerdem wird das Genehmigungsverfahren für Wärmepumpen beschleunigt, Art. 7.

Fazit

Die Verordnung und ihre Umsetzung in deutsches Recht haben insbesondere mit dem Verzicht auf die UVP und ASP das Potential, Genehmigungsverfahren vor allem von WEA erheblich zu beschleunigen. Auch bei bereits laufenden Genehmigungsverfahren können UVP und ASP bei einer Ausübung des oben beschriebenen Wahlrechts rückwirkend nicht mehr erforderlich sein.

Problematisch erweist sich, dass der nationale Gesetzestext teilweise die für eine wirkliche Verfahrensbeschleunigung notwendige Klarheit vermissen lässt. So bleibt beispielsweise unklar, wann Minderungsmaßnahmen nicht verfügbar i. S. d. § 6 Abs. 1 S. 5 WindBG sind.

Insgesamt dürfte bei einer zügigen Anwendung der entsprechenden Normen durch die Behörden insbesondere aufgrund eines Wegfalls der UVP und ASP eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung ermöglicht werden.

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