Mehrfaches Wahlrecht bei Betriebsratswahlen für Matrix-Manager möglich

Hamburg, 11.06.2025

Im Jahr 2026 finden die nächsten turnusmäßigen Betriebsratswahlen statt. Dabei kann die Erstellung der Wählerlisten gerade in Unternehmen mit komplexen Organisations- und Betriebsstrukturen zu Schwierigkeiten führen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun mit Beschluss vom 22. Mai 2025 (7 ABR 28/24) klargestellt, dass zumindest unternehmensinterne Matrix-Manager, also Führungskräfte, die innerhalb eines Unternehmens in mehreren Betrieben Arbeitnehmer führen, auch in mehreren Betrieben wahlberechtigt sein können.

Ausgangslage

Die Betriebszugehörigkeit von Matrix-Managern beschäftigt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit längerem. 2019 stellte das Bundesarbeitsgericht erstmals fest, dass es für die Einstellung eines Arbeitnehmers im Sinne des § 99 BetrVG in einem Betrieb ausreichen kann, dass der Arbeitnehmer dort ansässige Arbeitnehmer (fachlich) führt (BAG, Beschl. vom 22.10.2019 – 1 ABR 13/18). Dies hat in Unternehmen mit Matrixorganisation regelmäßig zur Folge, dass Führungskräfte in zwei oder mehreren Betrieben eingestellt sind: Ihrem “Hauptbetrieb”, an dem sich bspw. der regelmäßige Arbeitsplatz der Führungskraft befinden kann und alle weiteren Betriebe, in denen die Führungskraft Führungsaufgaben übernimmt. Wie das Bundesarbeitsgericht nun entschieden hat, hat diese Eingliederung in mehrere Betriebe nicht nur zur Folge, dass bei der Durchführung personeller Einzelmaßnahmen ggf. die Betriebsräte mehrerer Betriebe beteiligt werden müssen. Sie führt auch dazu, dass die betroffenen Führungskräfte berechtigt sein können, die Betriebsräte mehrerer Betriebe zu wählen.

Sachverhalt

Die Beklagte beschäftigte in fünf Betrieben ca. 2.600 Arbeitnehmer. Die Wählerliste des Betriebes “Süd” für die Betriebsratswahl 2022 umfasste dabei neben 498 unstreitig dem Betrieb “Süd” zugehörigen Arbeitnehmern auch 128 Führungskräfte, die zwar Arbeitnehmer des Betriebes führten – darüber hinaus jedoch nicht für diesen Betrieb tätig wurden und arbeitsvertraglich einem der anderen vier Betriebe zugeordnet waren. 

Nach Durchführung der Betriebsratswahl rügte die Arbeitgeberin deren Unwirksamkeit. Sie führt aus, dass die Wählerliste unter Verstoß gegen § 7 S. 1 BetrVG auch Arbeitnehmer erfasst habe, die dem Betrieb “Süd” nicht angehörten. Die streitigen Führungskräfte seien nicht in den Betrieb “Süd” eingegliedert gewesen. Dürften sie an der dortigen Betriebsratswahl teilnehmen, wären sie in mehreren Betrieben wahlberechtigt. Dieses “Mehrfach-Wahlrecht” sei ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip und daher unzulässig. 

Sowohl das Arbeitsgericht Stuttgart als auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gaben der Beklagten Recht und sprachen den Matrix-Führungskräften das Wahlrecht in mehreren Betrieben ab. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Beschl. vom 13.06.2024 – 3 TaBV 1/24) begründete dies damit, dass die Eingliederung eines Arbeitnehmers im Sinne des § 99 BetrVG anders zu bewerten sei als das Betriebsratswahlrecht nach § 7 S. 1 BetrVG. Auch ein Arbeitnehmer, der in mehrere Betriebe eingegliedert sei, könne nur in einem dieser Betriebe wahlberechtigt sein. 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2025

Diese Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 22. Mai 2025 aufgehoben und klargestellt, dass die Wahlberechtigung nach § 7 S. 1 BetrVG mit der Eingliederung eines Arbeitnehmers in einen – oder mehrere – Betriebe einhergeht. Es führt damit seine Rechtsprechung zur betrieblichen Eingliederung von Matrix-Führungskräften fort und stellt fest, dass Matrix-Führungskräfte auch im Hinblick auf die Betriebsratswahlen Arbeitnehmer mehrerer Betriebe sein können. 

Dies gilt zumindest für Matrix-Führungskräfte, die in einer unternehmensinternen Matrixorganisation tätig sind, also einer Matrixorganisation, die ausschließlich aus Betrieben eines Unternehmens besteht. 

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung hat unmittelbare Auswirkungen auf kommende Betriebsratswahlen. Bei der Erstellung der Wählerlisten können auch Matrix-Führungskräfte zu berücksichtigen sein, die bereits in einem anderen Betrieb des Arbeitgebers wahlberechtigt sind. Dies sollten in entsprechenden Matrixstrukturen organisierte Arbeitgeber berücksichtigen, die nach § 2 Abs. 2 WO bei Anfertigung der Wählerliste zu unterstützen haben. 

Dabei ist darauf zu achten, dass auf unternehmensübergreifende Matrixorganisationen, also Matrixorganisationen, die aus Betrieben mehrerer Unternehmen bestehen, das Bundesarbeitsgericht seine jüngere Rechtsprechung zur Eingliederung von Matrix-Führungskräften bislang nicht übertragen hat. Da die Matrix-Führungskräfte in solch unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen oftmals Arbeitnehmer von Betrieben führen, in denen sie selbst nicht den Weisungen des Betriebsinhabers unterliegen, liegt in diesen Fällen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Eingliederung im Sinne des § 99 BetrVG vor. Dieser feine aber weitreichende Unterschied wird in der Praxis häufig übersehen. Ob dies weiter Bestand haben wird und auch einem Wahlrecht der Matrix-Führungskräfte bei den Betriebsratswahlen in unternehmensübergreifenden Matrixorganisationen entgegensteht, wird die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zeigen.

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