Gesetzentwurf zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen Erneuerbarer Energien im Städtebaurecht

Köln, 18.10.2022

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat zur Verschärfung der Energieversorgungslage in Europa und exorbitanten Preissteigerungen auf den Energiemärkten geführt. Um die Energieversorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, sollen neben weiteren Maßnahmen insbesondere die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut werden.

Das Bundeskabinett hat am 12. Oktober 2022 den vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) vorgelegten Gesetzentwurf zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht beschlossen und in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren überführt. Das Gesetzgebungsvorhaben soll durch weitere Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB) einen Beitrag zur Energiesicherheit bzw. eine weitere Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien bewirken. Hierzu wird eine Außenbereichsprivilegierung für Elektrolyseure zur Erzeugung von grünem Wasserstoff im Außenbereich im BauGB eingeführt. Zudem soll eine Verordnungsermächtigung eingeführt werden, um bestehende Braunkohletagebauflächen leichter für Windenergie- und Photovoltaikprojekte zu nutzen. Schließlich soll das Verbot der optisch bedrängenden Wirkung für WEA gesetzlich klargestellt und damit eingegrenzt werden. Der Gesetzentwurf kann im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren noch weitere Änderungen erfahren.

Privilegierung für Elektrolyseure zur Wasserstofferzeugung im Außenbereich

Bei hohem Windaufkommen und der damit einhergehenden Einspeisung von Strom durch Windenergieanlagen (WEA) können in bestimmten Netzgebieten Netzengpässe auftreten. Während des Zeitraums des Netzengpasses wird die Einspeisung von Erzeugungsanlagen daher durch den jeweils zuständigen Netzbetreiber gemäß § 13a Abs. 1 EnWG begrenzt bzw. abgeregelt (Redispatch 2.0). Die betroffenen Anlagen können in diesem Zeitraum allein aus technischen Gründen keinen Strom erzeugen und in das Netz einspeisen. Zudem hat der Netzbetreiber den betroffenen Anlagenbetreiber für die Abregelung gemäß § 13a Abs. 2 EnWG zu entschädigen. Um eine Abregelung der WEA und den Verlust des Stroms zu vermeiden, kann der überschüssige Strom im Fall eines Netzengpasses jedoch durch einen über eine Direktleitung mit den WEA verbundenen Elektrolyseur netzdienlich zur Erzeugung von grünem Wasserstoff eingesetzt werden.
Durch den Gesetzentwurf soll ein § 249a BauGB eingeführt werden, der für Vorhaben zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff einen Privilegierungstatbestand schafft. Diese gelten künftig als im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierte und damit grundsätzlich zulässige Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen. Diese Privilegierung umfasst alle Anlagenteile, die der Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff dienen. Dies ist der Fall, wenn sie für diese Funktion erforderlich oder zumindest förderlich sind. Neben dem Elektrolyseur selbst und dem notwendigen Wasserstoff-Speicher können dies Steuerungsmodule oder Kühlungen sein. Auch die Ergänzung der Anlage um einen Batteriespeicher fällt unter den Wortlaut der Privilegierung, sofern dieser die Funktion hat, die von der Wind- oder Photovoltaikanlage zur Verfügung stehende Energie effektiver für die Zwecke der Wasserstoffherstellung zu nutzen.

Räumlich-funktionaler Zusammenhang zur WEA

Um diese Privilegierung in Anspruch zu nehmen, muss der Elektrolyseur gemäß § 249a Nr. 1 BauGB in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einer WEA stehen. Es genügt daher nicht, dass insoweit lediglich ein räumlich funktionaler Zusammenhang zu einer Solaranlage besteht. Ist allerdings ein räumlich-funktionaler Zusammenhang zu einer WEA gegeben, ist darüber hinaus auch ein Anschluss von ebenfalls im räumlichen Zusammenhang stehenden Photovoltaikanlagen an die Anlage zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff möglich.

Anschluss des Elektrolyseurs an mindestens fünf weitere WEA

Zudem muss gemäß § 249a Nr. 2 BauGB n.F. durch technische Vorkehrungen sichergestellt werden, dass der Wasserstoff ausschließlich aus dem Strom der WEA sowie mindestens fünf weiteren WEA oder ergänzend dazu aus dem Strom von Solaranlagen erzeugt wird, die im räumlichen Zusammenhang mit dem Elektrolyseur stehen. Als technische Vorkehrung kommt insbesondere eine Direktleitung zwischen WEA und Elektrolyseur in Betracht. Damit wird physikalisch sichergestellt, dass der Wasserstoff ausschließlich aus erneuerbaren Energien erzeugt wird (Grüner Wasserstoff). Eine rein bilanzielle Verrechnung der eingespeisten Strommengen mit den durch den Elektrolyseur verbrauchten Strommengen genügt somit nicht den Anforderungen des Privilegierungstatbestands.

Darüber hinaus werden auch bauliche Anforderungen an den zu errichtenden Elektrolyseur gestellt. Nach § 249a Nr. 3 BauGB n.F. soll die Größe der Grundfläche der zum Vorhaben gehörenden baulichen Anlagen 60 Quadratmeter und der Höhenunterschied zwischen der Geländeoberfläche im Mittel und dem höchsten Punkt der baulichen Anlagen 3,5 Meter nicht überschreiten. Zudem dürfen die WEA bzw. die Photovoltaikanlage gemäß § 249a Nr. 4 BauGB n.F. nicht bereits mit einem anderen Elektrolyseur verbunden sein.

Privilegierung von WEA und Solaranlagen auf ehemaligen Kohleabbauflächen

Ehemalige Abbauflächen des Braunkohletagebaus stellen regelmäßig große, vergleichsweise konfliktarme Flächen dar, die sich deshalb besonders für die Nutzung durch Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien eignen. Umweltbeeinträchtigungen oder Störungen der Nachbarschaft sind hier regelmäßig ausgeschlossen. Als vorteilhaft erweist sich zudem, dass die Braunkohlebereiche regelmäßig leicht an eine bereits bestehende Energienetzinfrastruktur angeschlossen werden können. Diese Flächen sollen künftig schneller für Windenergie-  oder Photovoltaikprojekte genutzt werden können.

Windenergieflächen

Mit § 249b BauGB n.F. werden Verordnungsermächtigungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Abbaubereichen des Braunkohletagebaus eingeführt. § 249b Abs. 1 Nr. 1 BauGB n.F. ermöglicht es Ländern mit Braunkohletagebau, die innerhalb der durch die Abbaugrenzen definierten Abbaubereichen eines Braunkohlen- oder Sanierungsplans gelegenen Flächen ganz oder teilweise für WEA durch Rechtsverordnung zu aktivieren, ohne dass es hierfür einer Änderung entgegenstehender Raumordnungs- oder Flächennutzungsplanung oder einer planerischen Ausweisung von Windenergiegebieten im Sinne des § 2 Nr. 1 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) bedürfte. Die Rekultivierungsziele des Braunkohlen- oder Sanierungsplans sind bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens angemessen zu berücksichtigen. Soweit möglich, sind diese Ziele mit dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien in Einklang zu bringen. Darüber hinaus sollen gemäß § 249b Abs. 1 Nr. 2 BauGB n.F. die bergbaulichen Tätigkeiten nicht erheblich beeinträchtigt werden, zu denen gemäß § 4 BBergG neben der Gewinnung u.a. auch die Wiedernutzbarmachung zählt.
Zudem kann nach § 249b Abs. 1 Satz 2 BauGB der Geltungsbereich der Rechtsverordnung auch auf bestimmte Teile eines Abbaubereichs beschränkt werden. Die Landesregierung kann also z.B. im Braunkohlen- oder Sanierungsplan speziell ausgewiesene Renaturierungs- oder Erholungsflächen vom Geltungsbereich der Verordnung auszunehmen.

Photovoltaikflächen

In der Verordnung nach § 249b Abs. 2 BauGB n.F. soll bestimmt werden können, ob und unter welchen Voraussetzungen dieselben oder andere Flächen innerhalb der Abbaubereiche ebenfalls ohne eine vorhergehende Planung zur Errichtung von Freiflächen- oder schwimmenden Solaranlagen genutzt werden können. Für diese Anlagen bewirkt die Landesverordnung neben der teilweisen Aufhebung der Bindung an die Braunkohlen- oder Sanierungspläne auch eine partielle Privilegierung, die ausschließlich innerhalb der Abbaubereiche von Braunkohlen- oder Sanierungsplänen aktiviert werden kann.

Begrenzung des Verbots optisch bedrängender Wirkung

Das Verbot der optisch bedrängenden Wirkung und der daraus folgenden Abstände zwischen WEA und von Wohnbebauung sind bislang gesetzlich nicht geregelt, sondern stützen vornehmlich auf Richterrecht und untergesetztliche Normen und verwaltungsinterne Leitlinien. Es wird aus dem planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot abgeleitet. Das Verbot optisch bedrängender Wirkung soll nun durch einen neuen § 249 Abs. 10 BauGB erstmalig bundesgesetzlich geregelt werden.
Danach soll der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient, in der Regel nicht entgegen stehen, wenn der Abstand von der Mitte des Mastfußes der WEA bis zur nächstgelegenen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken mindestens 300 Meter beträgt. Die Regelung soll klarstellen, dass der optische Schutz allein den Nahbereich um die WEA erfasst. Bei einem Abstand von mehr als 300 Metern ist eine optische Bedrängung regelmäßig nicht anzunehmen. Die Regelung lässt jedoch Raum, den besonderen Verhältnissen weiterhin im Einzelfall Rechnung zu tragen. Eine optisch bedrängende Wirkung von mehr als 300 Meter entfernten WEA kommt allerdings nur noch ausnahmsweise in Betracht, wenn anderenfalls die Schwelle der Zumutbarkeit aufgrund besonderer Umstände überschritten würde. 

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