Arbeiten, wo andere Urlaub machen - Risiken und Nebenwirkungen von „Workation“

Köln, 23.08.2023

legal updateTemporäres Arbeiten aus dem Ausland, das sich ggfs. an einen Urlaubsaufenthalt anschließt, (sog. „Workation“), erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Um im „war for talents“ wettbewerbsfähig zu bleiben und bestehende Beschäftigte an das Unternehmen zu binden, setzen Arbeitgeber immer häufiger auf das Angebot von „Workation“. Allerdings stellen sich hierbei eine Vielzahl rechtlicher Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Arbeits-, Sozialversicherungs-, Aufenthalts- und Steuerrechts. 

Anwendbares Arbeitsrecht 

Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeit aus dem Ausland, stellt sich zunächst die Frage, welches Recht anwendbar ist. Bei fehlender Rechtswahl ist der gewöhnliche Arbeitsort maßgeblich (Art. 8 Abs. 2 ROM I-Verordnung). Verrichtet der Arbeitnehmer nur vorübergehend seine Arbeit aus dem Ausland, wird dies in den meisten Fällen nicht dazu führen, dass sich der gewöhnliche Arbeitsort ändert. Demnach wird regelmäßig trotz „Workation“ deutsches Arbeitsrecht Anwendung finden. Dennoch empfiehlt es sich, die Anwendbarkeit des deutschen Arbeitsrechts in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ausdrücklich zu vereinbaren. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass selbst im Falle einer vertraglichen Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts stets auch zwingende Rechtsvorschriften des Ziellandes, wie z.B. Arbeitsschutzvorschriften, Anwendung finden. Zudem ist bei „Workation“ im EU-Ausland zu prüfen, inwieweit die sich aus der nationalen Umsetzung der europäischen Entsenderichtlinie ergebenden Mindestarbeitsbedingungen zu berücksichtigen sind.

Sozialversicherungsrecht

In der EU ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich in dem Staat sozialversicherungspflichtig, in dem er seine Arbeitsleistung erbringt (sog. Beschäftigungslandprinzip). Eine Ausnahme gilt jedoch für Entsendungen. Erbringt ein Arbeitnehmer für seinen deutschen Arbeitgeber Arbeitsleistungen im EU-Ausland, verbleibt er im deutschen Sozialversicherungssystem, sofern die Auslandstätigkeit auf maximal 24 Monate begrenzt ist und keine Ablösung eines bereits entsandten Arbeitnehmers erfolgt (Art. 12 VO (EG) 883/2004). Ob die Initiative für die Auslandstätigkeit vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer ausgeht, soll für den Entsendungstatbestand nach wohl herrschender Auffassung unerheblich sein.

Wird der Arbeitnehmer hingegen außerhalb der EU tätig, ist zu prüfen, ob Deutschland mit dem jeweiligen Staat ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat. Fehlt ein solches Abkommen, gilt die sog. Ausstrahlung gem. § 4 SGB IV, wonach der Arbeitnehmer im Fall einer Entsendung weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig ist, sofern die Entsendung zeitlich begrenzt ist. Allerdings besteht in diesem Fall die Gefahr der Doppelversicherung, sofern im Zielland das Beschäftigungslandprinzip gilt.

Bei Entsendungen ins EU-Ausland sollte frühzeitig eine sogenannte A1-Bescheinigung beantragt werden, die als Nachweis des Fortbestands der deutschen Sozialversicherung während der Auslandstätigkeit dient. Existiert ein Sozialversicherungsabkommen, gibt es vergleichbare Bescheinigungen, um das Fortbestehen der Sozialversicherung in Deutschland nachzuweisen. 

Aufenthaltsrecht und Meldepflichten

Möchte ein EU-Bürger oder ein Staatsangehöriger der Länder des EWR vorübergehend im EU-Ausland arbeiten, bedarf es aufgrund der Freizügigkeit innerhalb der EU zwar weder eines Einreisevisums noch eines Aufenthaltstitels; trotzdem bestehen in fast allen Mitgliedstaaten Melde- und Registrierpflichten. Hier ist stets je nach Zielstaat im Einzelfall zu prüfen, ob ein registrierungspflichtiger Auslandseinsatz vorliegt und welche Meldepflichten konkret einzuhalten sind, da der genaue Umfang der Meldepflichten je nach Land variieren kann. 

Plant der Arbeitnehmer eine „Workation“ außerhalb der EU, ist zunächst zu prüfen, ob die EU mit dem jeweiligen Drittstaat ein Abkommen geschlossen hat. Besteht ein solches Abkommen, bedarf es meist keiner Arbeitserlaubnis. Allerdings treffen den Arbeitgeber auch hier gewisse Meldepflichten. 

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in einem Drittstaat ohne Abkommen erbringen möchte oder Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, müssen die jeweiligen aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Voraussetzungen in Bezug auf das jeweilige Land individuell geprüft werden. Regelmäßig wird der Arbeitnehmer ein Einreisevisum sowie einen zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitel benötigen.

Steuerrecht

Risiko der Begründung einer ausländischen Betriebsstätte

Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern ermöglichen, aus dem Ausland zu arbeiten, laufen ggfs. Gefahr, eine ausländische Betriebsstätte zu begründen. Dies hätte zur Folge, dass das Unternehmen seine Einkünfte sowohl in Deutschland als auch im ausländischen Staat versteuern muss. Ab wann von einer Betriebsstätte auszugehen ist, richtet sich nach dem jeweiligen ausländischen Steuerrecht, wobei die Dauer der Auslandstätigkeit regelmäßig eine nicht unerhebliche Rolle spielen dürfte. Die Konsultation eines steuerrechtlichen Experten im Zielland ist unerlässlich.

Lohnsteuerrechtliche Risiken für Arbeitnehmer

Auch der Arbeitnehmer ist dem Risiko einer Doppelbesteuerung ausgesetzt. Während das Einkommen des Arbeitnehmers grundsätzlich in dem Staat besteuert wird, in dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat (sog. Ansässigkeitsortsprinzip), wird bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Ausland regelmäßig das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates ausgelöst (sog. Tätigkeitsortsprinzip). Dem damit einhergehenden Risiko der Doppelbesteuerung wirkt die in den meisten Doppelbesteuerungsabkommen enthaltene „183 Tage-Regel“ entgegen. Danach bleibt das Besteuerungsrecht beim Ansässigkeitsstaat, wenn der Arbeitnehmer weniger als 183 Tage innerhalb eines 12-Monatszeitraums im Ausland tätig ist.

Hinweise für die Praxis

Möchten Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern „Workation“ ermöglichen, sollten im Vorfeld gewisse Leitlinien für die Genehmigung von „Workation“ entwickelt werden, um die damit verbundenen rechtlichen Risiken sowie den administrativen Aufwand so gering wie möglich zu halten. In Betracht kommt beispielsweise die Beschränkung der Dauer der „Workation“ sowie die Beschränkung auf EU- und EWR-Staaten oder auf Länder, bei denen die rechtlichen Voraussetzungen bereits geprüft wurden. 

Daneben sollten die Rahmenbedingungen und Details für die geplante „Workation“ in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag mit dem jeweiligen Arbeitnehmer geregelt werden. So sollte zur Vermeidung von Streitigkeiten beispielsweise die Anwendbarkeit deutschen Rechts, eine etwaige Übernahme von Kosten, der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung sowie ein Recht zur Beendigung des Auslandsaufenthalts geregelt werden.

Angesichts der vielfältigen rechtlichen Risiken ist dringend von der mittlerweile in manchen Unternehmen entstandenen Praxis der „geduldeten Workation“ abzuraten. Besonders in Berufsfeldern, in denen überwiegend remote gearbeitet wird, entzieht sich der konkrete Tätigkeitsort der Arbeitnehmer der Kenntnis des Arbeitgebers. Aus diesem Grund entscheiden sich Arbeitnehmer teilweise eigenmächtig dazu, aus dem Ausland zu arbeiten oder Arbeitgeber gestatten eine Tätigkeit aus dem Ausland „durch die Blume“, ohne diese jedoch offiziell zu genehmigen. Zusätzlich zu den bereits dargelegten rechtlichen Risiken mag ein solches Vorgehen Bußgelder wegen Verstoßes gegen Meldepflichten sowie nachteilige Auswirkungen auf den Unfallversicherungsschutz der Arbeitnehmer nach sich ziehen, da einige Berufsgenossenschaften die Anmeldung von Auslandsreisen vorsehen. 

Festzuhalten bleibt, dass „Workation“ ein wirksames Mittel der Mitarbeitergewinnung und –bindung sein kann, Arbeitgeber jedoch gut beraten sind, die vielfältigen rechtlichen Aspekte von „Workation“ rechtzeitig zu prüfen bzw. zu regeln.

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