BGH entscheidet zur ordentlichen Kündigung von Prämiensparverträgen (BGH, Urteil vom 14.05.2019, XI ZR 345/18)

Berlin, 06.11.2019

I. Problemkreis / Sachverhalt

In der Vergangenheit waren Prämiensparverträge für Sparkassen ein „Kassenschlager“. Der Kunde erhielt zusätzlich zum regulären (damals noch hohen) Zinssatz eine Prämie. Mit voranschreitender Laufzeit des Vertrages stieg auch die Prämie. Auch nach dem Erreichen der höchsten Stufe in der Prämienstaffel liefen (und laufen) die Sparverträge weiter und konnte (und kann) der Kunde demnach weiterhin von den jährlichen Prämienzahlungen profitieren. Angesichts in den letzten Jahren gesunkenen Zinsniveaus haben die Kunden deshalb üblicherweise auch keine Veranlassung gehabt, ihre hochverzinslichen Anlageprodukte  zu kündigen.

Diese Situation ist andererseits für die Sparkassen ein Problem in der anhaltenden Niedrigzinsphase. Soweit für das Sparguthaben ein variabler Zinssatz vereinbart war, können die Sparkassen die Zinsveränderungen am Markt zwar noch an ihre Kunden weitergeben. Eine Herausforderung sind aber die weiterhin zu zahlenden jährlichen Prämien, zumal auf Grundlage der höchsten Prämienstaffel. Die derzeitige Niedrigzinsphase, deren Ende nicht abzusehen ist, erschwert es den Sparkassen, Erträge zu erwirtschaften, die für die jährlichen Prämienzahlungen benötigt werden.

Aus diesem Grund haben Sparkassen vor einiger Zeit damit begonnen, Prämiensparverträge zu kündigen. Das sorgte für Unmut bei einzelnen Kunden, die daraufhin vor Gericht zogen. Nunmehr hat der BGH sich erstmals mit der Frage befasst und über die Befugnis der Sparkassen zur ordentlichen Kündigung von derartigen Prämiensparverträgen entschieden.

II. Entscheidung des BGH

Die Entscheidung des BGH (Urteil vom 14.05.2019, XI ZR 345/18) betrifft drei verschiedene von der verklagten Sparkasse in der Vergangenheit angebotene Sparverträge. Der BGH hat die Kündigungen im konkreten Fall im Ergebnis für wirksam erachtet, der verklagten Sparkasse mithin Recht gegeben und die Revision des bereits in den Vorinstanzen unterlegenen Kunden zurückgewiesen.

Im Einzelnen:

Die streitgegenständlichen Sparverträge unterliegen dem BGH zufolge dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung, nicht jedoch dem Recht der Darlehensverträge. Deshalb richte sich das jeweilige Kündigungsrecht in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen, hier also Nr. 26 Abs. 1 der AGB-Sparkassen unter Beachtung der vereinbarten Kündigungsfristen, und nur im Übrigen nach §§ 700 Abs. 1 S. 3, 696 BGB. Demgegenüber fänden §§ 488 Abs. 3, 489 BGB keine Anwendung.

Maßgeblich für die Abgrenzung, ob ein Darlehensvertrag oder eine unregelmäßige Verwahrung vorliege, sei allein das (konkrete) vertragliche Pflichtenprogramm. Wenn der Sparer zur Erbringung der Spareinlage verpflichtet sei, liege ein Darlehensvertrag vor. Denn die Verpflichtung, einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, sei die vertragstypische Pflicht des Darlehensgebers bei einem Darlehensvertrag (vgl. § 488 Abs. 1 S. 1 BGB). Fehle eine solche Pflicht des Sparers liege eine unregelmäßige Verwahrung vor. Denn der Hinterleger gehe keine Verpflichtung zur Hinterlegung ein; ihm komme es in erster Linie auf eine sichere Aufbewahrung der überlassenen Sache und daneben auf die jederzeitige Verfügbarkeit darüber an (vgl. § 700 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nach diesen Maßstäben seien die streitgegenständlichen Sparverträge als unregelmäßige Verwahrung einzuordnen, weil sich der Kunde nicht zur Zahlung der monatlichen Sparrate verpflichtet habe. Dies ergebe sich bereits aus der konkreten Formulierung in den Sparverträgen, entspreche aber auch der typischen Interessenlage. Denn üblicherweise will der Sparer weder sich von der Sparkasse wegen Zahlung der Sparraten verklagen lassen noch wegen schuldhaft nicht (rechtzeitig) erbrachter Sparbeiträge auf Schadenersatz haften. Unschädlich sei, dass die Rückzahlung der Spareinlage abweichend von §§ 700 Abs. 1 S. 3, 695 S. 1 BGB vereinbart sei. Denn die genannte Vorschrift sei abdingbar.

Die beklagte Sparkasse sei nach Nr. 26 Abs. 1 der AGB-Sparkassen zur ordentlichen Kündigung der streitgegenständlichen Sparverträge berechtigt gewesen. Die Sparkasse habe im Rahmen der Sparverträge nicht gänzlich, d.h. zeitlich unbefristet, auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet. Ansonsten habe die Sparkasse „nur“ die Zahlung einer Sparprämie bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe, im Streitfall bis zum 15. Sparjahr, versprochen. Auch die Vereinbarung einer Kündigungsfrist belege das Bestehen eines Kündigungsrechtes. Aus der Gesamtschau folge daher, dass die Sparkasse nach Erreichen der höchsten Prämienstufe zur ordentlichen Kündigung der Sparverträge habe berechtigt sein sollen. Da der Sparer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe einseitig über das Sparen habe bestimmen dürfen, sei das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Sparkasse bis zu diesem Zeitpunkt allerdings ausgeschlossen. Es widerspreche dem mit der Prämienstaffel seitens der Sparkasse gesetzten Bonusanreiz, wenn die Sparkasse dem Kunden jeder Zeit den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien entziehen könne. Andererseits könne der Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit habe eröffnet werden sollen.

Aus den von der Sparkasse verwendeten Werbeflyern zu den betreffenden Sparverträgen könne der Kunde einen weitergehenden Ausschluss des Rechtes zur ordentlichen Kündigung nicht herleiten. In der Gesamtschau könnten die dortigen Angaben ebenfalls nur so verstanden werden, dass der Sparer nur einseitig bestimmen könne, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spare. Die im Werbeprospekt enthaltenen Musterrechnungen enthielten demgegenüber keine verbindlichen Aussagen über die Vertragslaufzeit. Im Übrigen handle es sich bei den Angaben im Flyer um eine rein werbende Anpreisung der Leistung der Sparkasse.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen lägen vor. Soweit danach – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH – ein sachgerechter Grund für die Kündigung gefordert werde, liege dieser in dem veränderten Zinsumfeld. Denn wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase werde es für die Sparkasse erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötige, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen.

III. Auswirkungen für die Praxis

Auch wenn der BGH im konkreten Fall nur über drei Sparvertragstypen entschieden hat, enthält das Urteil Ausführungen, die sich verallgemeinern lassen und deshalb generell für Sparkassen bei der Frage von Bedeutung sind, ob und inwieweit sie die mit ihren Kunden geschlossenen Prämiensparverträge kündigen können.

Das betrifft einmal die Einordnung der Verträge, ob also eine unregelmäßige Verwahrung oder ein Darlehensvertrag vorliegt. Da es typischerweise so ist, dass der Sparer nicht zur Zahlung der monatlichen Sparrate verpflichtet sein soll, dürften Prämiensparverträge ganz grundsätzlich als unregelmäßige Verwahrung einzuordnen sein. Da aber der BGH auf das jeweils vertraglich vereinbarte Pflichtenprogramm abstellt, dürfte dennoch eine Einzelfallprüfung der jeweiligen Vertragstypen unerlässlich sein, um etwaige Abweichungen feststellen zu können.

Darüber hinaus sind die Erwägungen des BGH zur Berechtigung der Sparkasse, die Prämiensparverträge ordentlich kündigen zu können, verallgemeinerungsfähig. Zwar stellt der BGH bei der Bewertung, ob und inwieweit die Vertragsparteien einen Ausschluss des Rechtes zur ordentlichen Kündigung vereinbart haben, auf die konkreten vertraglichen Regelungen ab. Da indes die Prämiensparverträge typischerweise dem selben Grundprinzip folgen, dürfte grundsätzlich ein Kündigungsausschluss bis zum Erreichen der jeweiligen höchsten Prämienstufe vereinbart sein. Vergleichbares gilt für die Frage, ob und inwieweit etwaige Aussagen in Werbeflyern Bedeutung für die Vertragsauslegung zukommt. Üblicherweise dürfte es sich im Kern um bloße Anpreisungen handeln, die für sich keine Rechte und Pflichten begründen sollen.

Die Bewertung, ob ein sachlicher Grund vorliegt, der für eine ordentliche Kündigung durch die Sparkasse erforderlich ist, lässt sich gleichfalls verallgemeinern. Der BGH stellt auf das veränderte Zinsumfeld ab, das aber naturgemäß alle Sparkassen gleichermaßen trifft.

Offen bleibt nach der Entscheidung des BGH, ob die Sparkassen sich auch auf andere Kündigungsgründe stützen, ggf. sogar eine außerordentliche Kündigung aussprechen könnten, gestützt insbesondere auf eine durch die erhebliche Verschiebung des Zinsniveuas verursachte Störung der Geschäftsgrundlage. Das OLG Stuttgart (Urteil vom 23.09.2015, 9 U 31/15) hatte sich in der Vergangenheit bereits dagegen entschieden. Nachdem das dortige Verfahren vor dem BGH durch Erledigungserklärungen beendet wurde und im hiesigen Verfahren diese Frage nicht streitentscheidend war, hatte der BGH bislang keine Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

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