Leitungs- und Anlagenrechte aufgrund § 9 Grundbuchbereinigungsgesetz (GGBerG)

07.09.2011

[] Für Energieanlagen, wasserwirtschaftliche Anlagen und sonstige Anlagen ist nach § 9 GBBerG auf unterschiedliche Stichtage das Entstehen eines Leitungsrechtes kraft Gesetzes geregelt. Auch wenn mit dem 31. Dezember 2010 der gute Glauben des Grundbuches wiederhergestellt worden ist, bleibt ein Verfahren auf Erteilung einer Anlagen- und Leitungsrechtsbescheinigung zulässig. Dazu und zu weiteren Einzelfragen, so insbesondere der Fälligkeit und Höhe des Entschädigungsanspruches, gibt dieser Newsletter nähere Informationen.

1. Stichtag

Für § 9 GBBerG unterfallende Anlagen ist kraft Gesetzes ein dingliches Leitungsrecht außerhalb des Grundbuches entstanden. Die maßgeblichen Stichtage sind für Energieanlagen der 25. Dezember 1993, für wasserwirtschaftliche Anlagen der 11. Januar 1995 und für sonstige Anlagen nach § 9 Abs. 11 GBBerG der 1. August 1996. Anlagen, die nicht der Legaldefinition der § 9 Abs. 1 GBBerG, § 4 Sachenrechtsdurchführungsverordnung und § 9 Abs. 12 GBBerG (beispielsweise Wasserwerke oder Kläranlagen) unterfallen, wurden in der Regel über das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz abgebildet, das in diesem Fall korrespondierend zu prüfen ist.

2. Entstehen des Leitungsrechts nach § 9 GBBerG

Ist die Anlage (bereits) am 3. Oktober 1990 vorhanden, wurde die Anlage im Zeitpunkt des Inkrafttretens des GBBerG (25. Dezember 1993 Energieanlagen, 11. Januar 1995 wasserwirtschaftliche Anlagen bzw. 1. August 1996 sonstige Anlagen) noch betrieben und ist nicht bereits aus anderen Rechtsgründen eine dingliche Sicherung für diese Leitungen eingetragen, entstand das Leitungsrecht kraft Gesetzes zeitlich unbegrenzt und mit Wirkung gegenüber jedermann.

Über dieses Recht erteilt eine Bescheinigungsbehörde eine Bescheinigung im Rahmen eines förmlichen Bescheinigungsverfahrens ohne materielle Prüfungspflicht. Nach ortsüblicher Bekanntmachung des Antrags ist allein der Grundstückseigentümer berechtigt, binnen Vier-Wochen-Frist Widerspruch einzulegen. Auch dies führt jedoch nicht zu einer materiell-rechtlichen Prüfung, es sei denn, es ergeben sich offenkundige Fehler. Ansonsten wird im Falle eines rechtzeitig eingelegten Widerspruches statt der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit auf der Grundlage der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuches wegen eines nichteingetragenen Leitungs- und Anlagenrechtes gemäß § 9 Abs. 5 S. 2GBBerG zugunsten des antragstellenden Versorgungsunternehmens im Grundbuch auf der Grundlage eines dahingehenden Vermerkes in der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung eingetragen. Grundstückseigentümer, die an ihren inhaltlichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung in Bezug auf ihr Grundstück festhalten, sind in der Pflicht, dann zur Durchsetzung ihres Grundbuchsberichtigungsanspruches (Löschung des Widerspruches) gegen das Versorgungsunternehmen auf Berichtigung des Grundbuches und damit Bewilligung der Löschung des Widerspruches zu klagen.

3. Verzicht auf die Dienstbarkeit

Ein Verzicht auf die Dienstbarkeit kommt für ein Versorgungsunternehmen nur solange in Betracht, wie es noch keine Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung erhalten hat. Es ist eine Kann-Bestimmung, die aufgrund der per 1. Januar 2011 eingetretenen Fälligkeit des Entschädigungsanspruches unabhängig von der Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch an Bedeutung verloren hat. Denn die Verzichtserklärung bewirkte letztlich lediglich, dass keine Entschädigung an den Grundstückseigentümer zu zahlen war. Hat ein Versorgungsunternehmen verzichtet, ist von ihm grundsätzlich ein Rückbau der Anlage auf seine Kosten zu erledigen.

5. Wiederherstellung des öffentlichen Glaubens des Grundbuches/Fälligkeit der Entschädigung zum 31. Dezember 2010 (dazu bereits mein Newsletter vom November 2010)

Auch nach Ablauf dieser Frist gilt: die gesetzlich begründete Dienstbarkeit besteht. Unverändert ist auch ein Bescheinigungsverfahren möglich. Allerdings besteht die Gefahr des Verlustes durch gutgläubigen Erwerb. Der gutgläubige Erwerber hätte dann unter Umständen einen Beseitigungsanspruch bei gleichzeitiger Zahlungsverpflichtung der Entschädigung an den Berechtigten bei Entstehung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit.

6. Entschädigungsanspruch

In vielen Fällen ist an die Grundstückseigentümer bisher keine Entschädigung durch Versorgungsunternehmen gezahlt worden, sei es, weil die Grundstückseigentümer kein Verlangen auf die Zahlung der ersten Rate stellt, sei es, weil Streit über die Höhe der Entschädigung besteht. Hier ist zu berücksichtigen, dass für jeden Fall ab 1. Januar 2011 von Gesetzes wegen Fälligkeit der Entschädigung eingetreten ist mit dem Ergebnis, dass der Schuldner der Entschädigung (Versorgungsunternehmen) im Falle der Nichtzahlung im Zahlungsverzug ist. Für die Höhe der Zinsen sind generell 5 % über Basiszinssatz zu kalkulieren. Ob ggf. auch 8 % nach § 288 Abs.2 BGB in Ansatz gebracht werden können (keine Beteiligung eines Verbrauchers), ist strittig, da es sich bei der zugrundeliegenden beschränkt persönlichen Dienstbarkeit um kein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift handelt. Aber wie dem auch sei: Das Versorgungsunternehmen hat – so es keine Verzugsfolgen in Kauf nehmen will – die Eigentümer ausfindig zu machen und ihnen Zahlung anzubieten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gläubiger der Grundstückseigentümer zum Zeitpunkt der Entstehung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ist, also der Grundstückseigentümer ausweislich Grundbuch per 25. November 1993 für Strom, Gas und Fernwärmeleitungen, per 1. Januar 1995 für Wasser- und Abwasserleitungen und per 1. August 1996 für andere, sonstige Anlagen wie Telekommunikationsleitungen und Leitungen der Deutschen Bahn. Zu beachten ist außerdem, dass im Falle einer Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz der Berechtigte Gläubiger ist (§ 16 Abs. 1 Vermögensgesetz).

Wenn Streit über die Höhe der Entschädigung besteht, empfiehlt es sich, zumindest die unstreitige Summe zu zahlen, um zumindest für diesen Betrag den Verzugsfolgen (soweit nicht bereits eingetreten) zu entgehen.

Im Falle eines Streits über die Höhe der Entschädigung ist es Sache des Grundstückseigentümers, einer Prüfung zugänglich darzulegen und zu beweisen, dass die vom Versorgungsunternehmen ermittelte Entschädigung unzutreffend ist und ein höherer Betrag zu zahlen wäre. Für eine dahingehende Prüfung kommt es – jeweils immer bezogen auf den Zeitpunkt der Entstehung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit kraft Gesetzes – also am 25. Dezember 1993, 11. Januar 1995 und 1. August 1996 – auf die Bebauungsmöglichkeit des Grundstückes, seine sonstige bauliche Nutzung, etwaige Beeinträchtigungen durch das Betretungsrecht des Berechtigten, etwaige sonstige Nutzungseinschränkungen und subjektive Wertgesichtspunkte (Ermittlung des belasteten Verkehrswertes nach Dr. Ing. Auerhammer). Hierbei ist der unbelastete Verkehrswert dem belasteten Verkehrswert (nach Abzug der Minderung) gegenüberzustellen. Ob es sich im Streitfall lohnt, mit sachverständiger Hilfe zu argumentieren, ist prozesstaktisch zu entscheiden. Zu berücksichtigen ist, dass sich ein Gericht – so es den Vortrag des Grundstückseigentümers als hinreichend plausibel ansieht – auf dieses Privatgutachten allein nicht stützen kann, sondern von Amts wegen ein weiteres kostenpflichtiges Gutachten einzuholen ist.

7. Zwangsversteigerung

Wie ebenfalls bereits im Newsletter vom November 2010 angemerkt, führt eine Zwangsversteigerung zum Verlust des Leitungsrechtes, wenn mit dem Gläubiger keine Übereinstimmung erzielt wird, dass das Leitungsrecht bestehen bleiben kann und die Zwangsversteigerung aus einem Recht betrieben wird, welches zeitlich vor der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen wurde. Dieses Thema bleibt. Es empfiehlt sich für Versorgungsunternehmen, die Grundstücke, über die gesicherte Leitungsrechte verlaufen, in regelmäßigen Abständen einer dahingehenden Kontrolle zu unterziehen, damit ggf. im Zwangsversteigerungsverfahren ein Beibehalt der Rechte betrieben werden kann. Dies gilt ferner insbesondere für Leitungsrechte, die bis heute noch nicht dinglich im Grundbuch gesichert sind.

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