Fristlose Änderungskündigung als wirksames Mittel zur Einführung von Kurzarbeit

Köln, 08.12.2020

Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld haben sich während der Corona-Pandemie seit März 2020 als arbeitsmarktpolitisches Instrument gegen Arbeitsplatzabbau bewährt. Kurzarbeit kann jedoch nicht einseitig eingeführt werden, sondern bedarf einer vertraglichen Grundlage. Fehlt diese, kann bei dringenden betrieblichen Voraussetzungen eine Änderungskündigung ein probates Mittel sein, entschied das Arbeitsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 22. Oktober 2020 (11 Ca 2950/20).

Der Sachverhalt

Die Parteien stritten unter anderem um die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Änderungskündigung. Die Klägerin, die für die Beklagte seit 2011 tätig war, war von Anfang April bis August 2020 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Bereits im März 2020 führte die COVID-19 Pandemie zu einem erheblichen Arbeitsausfall bei der Beklagten. Anfang April 2020 bat die Beklagte, bei der kein Betriebsrat besteht, die Klägerin telefonisch um ihre Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit. Da die Klägerin diese Anfrage ablehnte, kündigte die Beklagte ihr fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Juli 2020 durch Änderungskündigung. Darin bot sie der Klägerin an, das Arbeitsverhältnis mit der Maßgabe fortzusetzen, Kurzarbeit ab Mitte Mai bis zum Ablauf des Jahres 2020 unter Einhaltung der sozialrechtlichen Voraussetzungen des Bezuges von Kurzarbeitergeld im Sinne der §§ 95 ff. SGB III einzuführen. Hilfsweise bot die Beklagte die entsprechende Änderung der Vertragsbedingungen mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist an. Die Klägerin nahm das Angebot vorbehaltlich der sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung an und erhob Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart

Das Arbeitsgericht Stuttgart erklärte die als fristlose betriebsbedingte Änderungskündigung ausgesprochene Kündigung zur Einführung von Kurzarbeit als wirksam, da ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB bestand. Weder werde in das Äquivalenzverhältnis der Parteien eingegriffen noch sei die Kurzarbeit auf Dauer angelegt. Die gesetzgeberischen Wertungen der wirksamen Einführung von Kurzarbeit und den Anforderungen an den Bezug von Kurzarbeitergeld im Sinne der §§ 95 ff. SGB III seien bei der Betrachtung der Wirksamkeit der Kündigung zu berücksichtigen. Ein in diesem Sinne vorliegender erheblicher Arbeitsausfall stelle ein dringendes betriebliches Erfordernis dar. Auch sei im konkreten Fall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. So hätten nicht nur die Voraussetzungen zur Einführung von Kurzarbeit vorgelegen. Auch wurde eine Vorlauffrist von über drei Wochen eingehalten und die Dauer der Kurzarbeit von vornherein zeitlich begrenzt. Mangels tarifvertraglicher Regelung oder Existenz eines Betriebrats bestand auch lediglich die Möglichkeit der Einführung von Kurzarbeit durch Individualvereinbarung. Mildere Maßnahmen wie Urlaubsabbau waren nicht ersichtlich.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart überzeugt. Höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Einführung von Kurzarbeit durch fristlose Änderungskündigung besteht zum jetzigen Zeitpunkt zwar (noch) nicht. Das hiesige Urteil kann somit kein Freifahrtschein für die Praxis sein. Die Entscheidung aus Stuttgart legt aber transparent und nachvollziehbar dar, unter welchen Voraussetzungen eine fristlose betriebsbedingte Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit wirksam ist. Sofern nur individualvertraglich Kurzarbeit eingeführt werden kann, dient die Entscheidung durchaus als Leitfaden für Arbeitgeber. Sie beachtet die Wertungen des Gesetzgebers zum Kurzarbeitergeld und führt zu dessen Harmonisierung mit den arbeitsrechtlichen Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung.

Zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt es sich weiterhin, vertragliche Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit zu treffen. Dies kann durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder individualvertraglich geschehen und bedarf in der Regel einer Ankündigungsfrist von bis zu drei Wochen. Dabei bleiben die inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Einführung von Kurzarbeit hoch und müssen unbedingt beachtet werden. Solche Vereinbarungen spielen für den berechtigten Bezug von Kurzarbeitergeld sowie für die Wirksamkeit von Kündigungen eine entscheidende Rolle. Weiterhin gilt: Eine (Änderungs-)Kündigung ist und bleibt nur ultima ratio.

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