Lügen als Kündigungsgrund

09.02.2012

[] Täuscht der Arbeitnehmer die Erledigung von Arbeitsaufgaben wahrheitswidrig vor, ohne diese tatsächlich erledigt zu haben, ist eine ordentliche Kündigung regelmäßig berechtigt. Machen die vorgetäuschten Arbeitsaufgaben aber nur einen Teil der insgesamt geschuldeten Tätigkeit aus und fallen sie nur sporadisch an, ist eine außerordentliche Kündigung in der Regel unwirksam (BAG, Urteil vom 09.06.2011 – 2 AZR 284/10).

Sachverhalt

Der Kläger war im Ordnungsamt des beklagten Landkreises als Sachbearbeiter beschäftigt. Dabei gehörte es zu seinen Aufgaben, die Einsatzfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes einmal jährlich auf ihre Funktionstauglichkeit hin zu überprüfen. Hierzu hatte er die Fahrzeuge persönlich zu inspizieren und einen entsprechenden Prüfbericht zu erstellen. Im Jahr 2004 nahm er indes keine einzige Kontrolle vor und prüfte auch im Jahr 2005 nur wenige Fahrzeuge. Stattdessen überließ er die Prüfung dem jeweiligen Kreisverband des Roten Kreuzes selbst. Zu diesem Zweck hatte der Kläger den Kreisverbänden vorab schon ausgefüllte und abgestempelte Prüfberichte übersandt, in denen er jeweils die Ausstattung der Fahrzeuge als ausreichend und die Fahrzeuge als einsatzfähig und in gutem Pflegezustand attestierte. Diese Vordrucke hatte er bereits blanko unterzeichnet. Die Mitarbeiter des Kreisverbandes mussten die Berichte lediglich noch vervollständigen und an den Kläger zurücksenden. Nachdem der Landkreis von dieser Vorgehensweise des Klägers erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis außerordentlich und zugleich hilfsweise ordentlich.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten, die ordentliche Kündigung jedoch für wirksam erachtet (Urteil vom 9.6.2011 – 2 AZR 284/10). Dabei stellt es klar, dass die „Lüge im Arbeitsverhältnis" nicht per se einen Kündigungsgrund darstellt. Zwar räumt das BAG ein, dass das Vortäuschen der Arbeitserfüllung und die damit verbundene Lüge gegenüber dem Arbeitgeber im Einzelfall einen wichtigen Grund auch zur außerordentlichen Kündigung abgeben könne. Allerdings sei danach zu differenzieren, ob der Kläger über wesentliche, ihm obliegende Arbeiten oder „nur" über sporadisch auftretende Nebenaufgaben getäuscht hat. Da der Kläger seine sonstigen Aufgaben ohne Einschränkungen erfüllt habe, sei es dem Arbeitgeber zumutbar, den Kläger für die Dauer der Kündigungsfrist noch zu beschäftigen und währenddessen nur mit seinen Hauptaufgaben zu betrauen. Eine außerordentliche Kündigung könne deshalb auf das Verhalten des Klägers nicht gestützt werden.

Allerdings rechtfertige die systematische Täuschung des Arbeitgebers über die tatsächlich nicht geleisteten Arbeiten die zugleich ausgesprochene ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist.

Anmerkung

Die Entscheidung des BAG verdeutlicht, dass eine Kündigung nicht zur Bestrafung eines Fehlverhaltens ausgesprochen werden darf, sondern entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer auch trotz seines Pflichtverstoßes künftig – zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist – noch zumutbarerweise beschäftigt werden muss. Das BAG stellt zwar klar, dass das Verhalten des Klägers vom Arbeitgeber in keiner Weise toleriert werden muss. Da der Kläger aber nur über einen Teil seiner Aufgaben getäuscht hat, meint es, dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch zuzumuten. Der Arbeitgeber solle – so das Bundesarbeitsgericht – den Arbeitnehmer einfach bis dato ausschließlich mit den anderen ihm obliegenden Aufgaben beschäftigen.

Dieses Ergebnis mag rechtsdogmatisch zu begründen sein, ist jedoch vor dem Hintergrund des erheblichen Vertrauensverlustes, der durch eine systematische Täuschung ausgeht, stark befremdlich. Arbeitnehmer, die ihren Arbeitgeber systematisch belügen – und dann auch noch wie hier in einem sicherheitsrelevanten Bereich – sollen danach nicht außerordentlich gekündigt werden können, sofern sie andere ihnen obliegende Aufgaben beanstandungslos erfüllt haben. Vor diesem Hintergrund darf in vergleichbaren Fällen keinesfalls vergessen werden, neben der außerordentlichen Kündigung zugleich eine hilfsweise ordentliche Kündigung auszusprechen. Immerhin an deren Wirksamkeit hatte das Bundesarbeitsgericht auch im vorliegenden Fall keine Zweifel.

Dr. Frank Wilke

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