[] Der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, steht eine frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber nicht entgegen, wenn diese mehr als drei Jahre zurückliegt.
Sachverhalt
Die Klägerin nahm in den 90er Jahren ein Lehramts-Studium auf. Während ihres Studiums war sie vom 01. November 1999 bis zum 31. Januar 2000 insgesamt 50 Stunden als studentische Hilfskraft für den Freistaat Sachsen – dem Arbeitgeber – tätig. Nach Abschluss ihres Studiums bewarb sie sich bei dem Freistaat Sachsen auf eine Lehramtsstelle. Nach erfolgreicher Bewerbung war sie vom 01. August 2006 bis zum 31. Juli 2008 als Lehrerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war befristet; einen bestimmten Sachgrund für die Befristung gab es nicht (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Die Lehrerin klagte gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie berief sich auf das Vorbeschäftigungsverbot gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG. Nach dem Wortlaut dieser Norm ist eine Befristung ohne Sachgrund unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09) wies die Klage letztinstanzlich zurück. Das Gericht traf eine Entscheidung gegen den an sich eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Danach sei der Begriff „zuvor“ nicht zu verstehen als „in aller Vergangenheit“, sondern als Zeitraum von drei Jahren. Das Gericht argumentiert, dass eine andere Auslegung des Vorbeschäftigungsverbotes ansonsten dem Sinn und Zweck dieses Gesetzes zuwiderlaufe. Denn das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sei 2001 in Kraft getreten, um rechtsmissbräuchliche Befristungsketten zu verhindern. Außerdem sei durch die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung die Möglichkeit geschaffen worden, bestimmten Beschäftigungsgruppen eine Brücke ins Erwerbsleben zu bauen. Die allzu restriktive Auslegung des Vorbeschäftigungsverbotes liefe hingegen dem Gesetzeszweck zuwider. Das Gericht führte aus, dass nach einem Zeitraum von drei Jahren die Gefahr eines Missbrauchs des Gestaltungsmittels der Befristung nicht mehr bestehe. Außerdem würde die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Berufswahlfreiheit unverhältnismäßig beschränkt. Denn Arbeitnehmer hätten Nachteile beim Berufseinstieg, wenn eine Einstellung – aus Angst vor der Unwirksamkeit der Befristung – nur deswegen unterbliebe, weil bereits vor langer Zeit einmal ein Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sich das Vorbeschäftigungsverbot umkehren würde in ein Einstellungshindernis.
Anmerkung
Die Entscheidung ist sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber sehr erfreulich. Dies umso mehr, als mit ihr nicht gerechnet werden konnte. Das Vorbeschäftigungsverbot schien buchstäblich in Stein gemeißelt. Zwar gab es bei Inkrafttreten des Gesetzes vereinzelt Stimmen in der Literatur, die auf die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung hingewiesen haben. Aufgrund des klaren Wortlautes des Gesetzes konnte sich diese Auffassung jedoch nicht durchsetzen. In letzter Zeit erwies sich jedoch die bisherige strikte Auslegung des Vorbeschäftigungsverbotes als unverhältnismäßiges Einstellungshindernis, was auch Gegenstand von Berichterstattungen in den Medien war. So gab es einige Arbeitslose, die sich vergeblich im öffentlichen Dienst auf befristete Stellen beworben hatten. Aus Sorge, eine sachgrundlose Befristung sei nicht möglich, da die Bewerber in der Vergangenheit schon einmal für denselben Arbeitgeber tätig waren, unterblieb die Einstellung. Solche Bewerber sollten es in Zukunft einfacher haben. Außerdem müssen Arbeitgeber nicht mehr die Unwirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung befürchten, weil sie möglicherweise eine Vorbeschäftigung vor langer Zeit „übersehen“ haben.