Die geplante Reform der steuerlichen Organschaft

10.01.2013

1. Einführung

Die ertragsteuerliche Organschaft ermöglicht es, in einem Konzern Gewinne einer Gesellschaft mit Verlusten einer anderen Gesellschaft zu verrechnen. Sie setzt gem. § 14 Körperschaftsteuergesetz eine Mehrheitsbeteiligung der herrschenden Gesellschaft (Organträger) und den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages zwischen dieser und der beherrschten Gesellschaft(Organgesellschaft) voraus. Die Organgesellschaft muss Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland haben. Der Organträger muss seine Geschäftsleitung im Inland haben. Dieses steuerliche Konzept steht nunmehr aus zwei Gründen auf dem Prüfstand: Erstens ist der nach deutschem Recht erforderliche doppelte Inlandsbezug der Organgesellschaft im Hinblick auf die Diskriminierungsverbote des Unions- und Abkommensrechts der Europäischen Union problematisch. Ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren ist derzeit beim EuGH anhängig (Nr. 2008/4909). Zweitens sind der Abschluss und die Durchführung des Gewinnabführungsvertrages in der Praxis fehleranfällig, was zu dem unerfreulichen Ergebnis einer „verunglückten Organschaft“ mit negativen steuerlichen Effekten wie verdeckten Gewinnausschüttungen führen kann. Problematisch ist auch, dass für die Gewinnabführung auf das handelsrechtliche Ergebnis der beherrschten Gesellschaft abzustellen ist, das von der steuerlichen Gewinnermittlung abweicht. Vor diesem Hintergrund soll die derzeitige steuerliche Organschaft durch ein laufendes Gesetzgebungsverfahren verändert werden.

2. Angedachte Alternativlösungen

Im Vorfeld des aktuellen Gesetzesentwurfes wurden im Wesentlichen zwei unterschiedliche Grundkonzepte diskutiert: Ein Gruppenbeitragsmodell, welches auf einen Vorschlag des hessischen Finanzministeriums zurückging, sowie Zurechnungsmodelle, welche auf Vorschlägen des bayerischen Finanzministeriums und des Instituts für Finanzen und Steuern beruhten. Alle Vorschläge sahen vor, dass die Gruppenbesteuerung gemeinsam von der herrschenden und der beherrschten Gesellschaft beim Finanzamt beantragt werden muss. Das Gruppenbeitragsmodell sollte konzerninterne Gruppenbeiträge mit tatsächlicher Gewinnübertragung ermöglichen. Ausreichend für die Begründung der Gruppenbesteuerung sollte die übereinstimmende Stellung eines Antrages beim Finanzamt durch die beteiligten Unternehmen sein. Zahlungen bzw. die Begründung entsprechender Forderungen an Gruppengesellschaften sollten bei der leistenden Gesellschaft aufwandswirksam als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig sein. Da solche Gewinnverlagerungen auch zwischen den einzelnen Gruppengesellschaften (und nicht nur zwischen Mutter und Tochter) möglich und zudem der Höhe nach frei bestimmbar sein sollten, bot das Modell eine hohe Flexibilität. Allerdings wurde teilweise eine sehr hohe Beteiligungsquote von 95 % des Kapitals und der Stimmrechte gefordert. Nach den Zurechnungsmodellen sollte die Gruppenbesteuerung nach gemeinsamer Antragstellung von herrschendem Unternehmen und abhängiger Aktiengesellschaft bzw. GmbH möglich sein, sofern eine Mindestbeteiligung von 75 % bestand. Die Einkommenszurechnung sollte ohne tatsächlichen Kapitalfluss stattfinden; nach dem bayerischen Vorschlag etwa durch so genannte steuerliche Verrechnungskonten.

3. Beschluss des Bundestages vom 25. Oktober 2012

Der Bundestag hat am 25. Oktober 2012 bereits ein Gesetz zur Änderung der ertragsteuerlichen Organschaft verabschiedet (BT-Drucks. 17/11180), das keine grundlegende Umstellung im Sinne der Alternativmodelle vorsieht, sondern eine Weiterentwicklung des bisherigen Organschaftsmodells.
Die Zustimmung des Bundesrates steht allerdings noch aus. Dieses Gesetz beinhaltet folgende Änderungen: Der doppelte Inlandsbezug wird aufgegeben, sodass nunmehr alle Kapitalgesellschaften mit Sitz im EU- oder EWR-Ausland als Organgesellschaften fungieren können sollen. Dies soll für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fällen gelten (§ 34 Abs. 8 KStG).

Beim Organträger soll es nach der Neuregelung nicht mehr allein auf den Sitz der Geschäftsleitung ankommen. Vielmehr soll auch die Zuordnung von Beteiligungen inländischer Betriebsstätten des Organträgers möglich sein. Die erforderliche finanzielle Eingliederung kann somit auch durch die Beteiligung an einer Organgesellschaft durch eine Betriebsstätte des Organträgers während der gesamten Dauer der Organschaft gewährleistet sein. Um der Gefahr der Nichtbesteuerung zu begegnen, ist eine Betriebsstätte nach dem Gesetzentwurf erst dann anzuerkennen, wenn die ihr zuzurechnenden Einkünfte nach innerstaatlichem Steuerrecht und Abkommensrecht in Deutschland zu versteuern sind. Diese Neuregelung ist nach § 34 Abs. 1 KStG ab dem Veranlagungszeitraum 2012 anwendbar.

Des weiteren sind Erleichterungen für die Begründung und Durchführung des Gewinnabführungsvertrages vorgesehen. Bereits bestehende Gewinnabführungsverträge, die hinsichtlich der Verlustübernahmeverpflichtung keinen Verweis auf § 302 AktG enthalten, der den bisherigen gesetzlichen Anforderungen entspricht, stehen der steuerlichen Anerkennung der Organschaft nicht entgegen, sofern die Verlustübernahme tatsächlich entsprechend § 302 AktG erfolgt und die Verlustübernahmeregelung bis zum 31. Dezember 2014 an die Neuregelung angepasst wird. Daher gilt es, Altverträge jedenfalls bis spätestens 31. Dezember 2014 anzupassen. Eine Anpassung des Gewinnabführungsvertrages ist hingegen nach § 34 Abs. 10b KStG nicht erforderlich, wenn die steuerliche Organschaft vor dem 01. Januar 2015 beendet wird.

Auch die Vertragsdurchführung soll erleichtert werden, da diese als wesentliche Voraussetzung für das Bestehen der Organschaft nach aktueller Rechtslage einige Risiken birgt. Auch wenn die Gewinnabführung auf einem handelsrechtlichen Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze beinhaltet, soll der Gewinnabführungsvertrag nach der Gesetzesänderung als durchgeführt gelten, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Der Jahresabschluss ist wirksam festgestellt, (2) seine Fehlerhaftigkeit hätte bei Erstellung unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkannt werden können (dies ist der Fall, sofern ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk nach § 322 Abs. 3 HGB zum Jahresabschluss, zu einem Konzernabschluss, in den der handelsrechtliche Jahresabschluss einbezogen worden ist, oder über die freiwillige Prüfung des Jahresabschlusses oder die Bescheinigung eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers über die Erstellung eines Jahresabschluss mit umfassenden Beurteilungen vorliegt) und (3) der Fehler wird spätestens in dem nächsten nach dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Fehlers aufzustellenden Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen. Diese Regelung soll in allen noch nicht bestandskräftig veranlagten Fällen anzuwenden sein (§ 34 Abs. 7 KStG).

Eine weitere Änderung betrifft die Beschränkung der Verlustnutzung infolge der Aufgabe des doppelten Inlandsbezugs. Diese wird ausgeweitet, indem negative Einkünfte eines unbeschränkt steuerpflichtigen Organträgers oder einer unbeschränkt steuerpflichtigen Organgesellschaft unberücksichtigt bleiben, sofern sich deren satzungsmäßiger Sitz nicht im Inland befindet und sie in einem ausländischen Staat, der nicht EU-/EWR-Mitgliedstaat ist, im Rahmen der Besteuerung des Organträgers, der Organgesellschaft oder einer anderen Person berücksichtigt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG). Auch hier gilt die Anwendbarkeit für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle.

Schlussendlich sieht das Gesetz die Einführung eines Feststellungsverfahrens vor, welches das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende weitere Besteuerungsgrundlagen einheitlich gegenüber Organträger und Organgesellschaft feststellt. Genauso soll mit den von der Organgesellschaft geleisteten Steuern, welche auf die Steuer des Organträgers anzurechnen sind, verfahren werden. Da der Feststellungsbescheid die Funktion eines Grundlagenbescheids im Sinne des § 171 Nr. 10 AO hat, wäre die spätere Änderung einer bestandskräftigen Veranlagung des Organträgers gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich. Diese Regelung soll für Feststellungszeiträume nach dem 31. Dezember 2013 anwendbar sein.

4. Ausblick

Obgleich der Finanzausschuss des Bundestages eine völlige Abkehr von der steuerlichen Organschaft hin zu einem Gruppenbesteuerungsmodell favorisierte, entschied sich die Koalition für kleinere Veränderungen des bestehenden Systems. Mit der rechtlichen Anerkennung von Organschaften unter Beteiligung von EU/EWRUnternehmen ist aber schon ein wichtiger Schritt getan. Ebenso sind die Erleichterungen hinsichtlich des Gewinnabführungsvertrages zu begrüßen, da sie zu größerer Rechtssicherheit hinsichtlich des Bestehens der Organschaft führen. Der Bundesrat hat dem Gesetz die Zustimmung Ende November verweigert. Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung oder der Bundestag nunmehr ein Vermittlungsverfahren einleiten und welchen Ausgang dieses nehmen wird.

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