Transformationskomponente aus Offshore-Ausschreibungen soll zur Finanzierung des Bundeshaushalts beitragen

Köln, 12.01.2024

Die Regierungsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP haben den „Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024“ (BT-Drs. 20/9999) beschlossen. Der Entwurf sieht umfangreiche Einsparmaßnahmen sowie die Generierung neuer Einnahmen vor. Diese sollen danach unter anderem dadurch erzielt werden, dass die im Zuge der Offshore-Ausschreibungen nicht zentral voruntersuchter Flächen im Jahr 2023 über die zweite Gebotskomponente erzielten Zahlungen der bezuschlagten Bieter zukünftig in Teilen als sog. Transformationskomponente dem Bundeshaushalt zufließen sollen.

Hintergrund des Entwurfs

Der Deutsche Bundestag stellte durch Beschluss im April 2021 zum wiederholten Male eine außergewöhnliche Notsituation i.S.d. Art. 115 Abs. 2 Satz 6 und 7 GG in Form der Corona-Pandemie fest, wodurch für den Bund höhere Kreditaufnahmen möglich wurden.  Mit dem Nachtragshaushaltsgesetz 2021 vom 3. Juni 2021 wurden die Kreditermächtigungen für das Haushaltsjahr sodann um 60 Milliarden erhöht. Entgegen der ursprünglichen Prognose wurden die zusätzlichen Kreditermächtigungen jedoch nicht benötigt. 

In der Folge beschloss der Bundestag mit dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 vom 18. Februar 2022 die Erhöhung des Volumens des Sondervermögens “Energie- und Klimafonds“ (nunmehr „Klima- und Transformationsfonds“) um 60 Milliarden Euro. Das BVerfG erklärte mit Urteil vom 15. November 2023 (BvF 1/22) das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für verfassungswidrig. Zur Begründung führte das BVerfG aus, das Gesetz widerspreche den Vorgaben der Art. 109 Abs. 3 Satz 1 und 2, Art. 115 Abs. 2 Satz 1 und 6 GG über die notlagenbedingte Kreditaufnahme, weil der Zusammenhang zwischen der Notsituation und den zur Krisenbewältigung veranlassten Maßnahmen nicht deutlich sei. Zudem sei die Verabschiedung eines Nachtragshaushaltes nach Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres nicht mit dem Vorherigkeitsgrundsatz des Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar.

Ausschreibungsverfahren nach dem WindSeeG

Das Ausschreibungsverfahren für Windenergieanlagen auf See wurde durch das zweite Gesetz zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) im Jahre 2022 umfassend reformiert. Zur Erreichung der gesteigerten gesetzlichen Ausbauziele der Offshore-Windenergie werden nunmehr neben den staatlich durch das BSH zentral voruntersuchten Flächen auch nicht zentral voruntersuchte Flächen zur Erweiterung der Flächenkulisse ausgeschrieben. 

Ausschreibungen nicht zentral voruntersuchter Flächen richten sich nach §§ 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 16 ff. WindSeeG 2023, wobei die Förderung im Wege der Marktprämie grundsätzlich beibehalten wird. Derjenige Bieter erhält den Zuschlag, der das niedrigste Gebot abgibt. Abweichend hiervon wird für den Fall, in dem mehrere Bieter 0 Cent pro kWh bieten, ein sog. dynamisches Gebotsverfahren durch die Bundesnetzagentur durchgeführt. Den Zuschlag erhält der Bieter, der die höchste Zahlung zu leisten bereit ist. 

Im Rahmen des in 2023 erstmalig durchgeführten dynamischen Gebotsverfahrens für vier nicht zentral voruntersuchte Flächen in der Nord- und Ostsee mit einer Leistung von insgesamt 7 GW wurde eine Gesamtsumme von 12,6 Milliarden Euro erzielt. 

Die Ausschreibung zentral voruntersuchter Flächen, die 2022 ebenfalls grundlegend neugestaltet wurde, erfolgt anhand eine Punktesystems gem. §§ 50 ff. WindSeeG 2023 unter Berücksichtigung eines sog. Gebotswertes und vier qualitativer Kriterien. Über den Gebotswert und die qualitativen Kriterien werden Punkte ermittelt, durch Vergleich der so zu vergebenden Punkte wird sodann der Bieter festgestellt, der den Zuschlag erhält. Der Gebotswert bemisst sich an der Zahlungsbereitschaft pro kWh des jeweiligen Bieters, der Bieter mit dem höchsten Gebotswert erhält die maximale Punktezahl von 60 Punkten. Die daneben zu berücksichtigenden qualitativen Kriterien sind die Dekarbonisierung des Ausbaus der Windenergie auf See, d.h. die Treibhausgasemissionen bei der Errichtung der Windenergieanlage, der Lieferumfang der erzeugten Energie, die Schallbelastung der Gründung und Versieglung des Meeresbodens und der Beitrag zur Fachkräftesicherung durch das Vorhaben. Hierbei können maximal in jeder Kategorie maximal zehn Bewertungspunkte erlangt werden.     

Im vergangenen Jahr konnten über die Gebote in den Ausschreibungen zentral voruntersuchter Flächen insgesamt 784 Millionen Euro erzielt werden. 

Änderungen des WindSeeG

Stromkostensenkungs-, Meeresnaturschutz- und Fischereikomponente 

Nach der unter dem WindSeeG 2023 geltenden Rechtslage fließen 90 Prozent der Gelder aus den Geboten als Stromkostensenkungskomponente an den anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber und jeweils fünf Prozent an den Bundeshaushalt zweckgebunden als Meeresnaturschutz- und Fischereikomponente (§§ 23, 57, 58, 59 Abs. 1 WindSeeG 2023). 

Hintergrund der Regelung ist hinsichtlich der sog. Stromkostensenkungskomponente, dass der Bieter dadurch über die Ermäßigung der Offshore-Netzumlage gemäß § 17f EnWG einen Beitrag zur Senkung der Kosten des Offshore-Netzausbaus und damit der Stromkosten leistet. Die Meeresnaturschutzkomponente beruht auf dem Gedanken, dass mit der Errichtung von Windenergieanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Regel ein Eingriff in den Meeresraum einhergeht, der potenziell nachteilige Auswirkungen auf diesen zeitigen kann. Die Meeresnaturschutzkomponente war somit als ausgleichender Beitrag zum Erhalt des Meereszustandes gedacht. Parallel hierzu war Grundgedanke der Fischereikomponente der Umstand, dass durch die Errichtung von Windenergieanlagen in der AWZ die Wasserflächen verringert werden, die für Zwecke der Fischerei nutzbar sind, weshalb über den Beitrag Maßnahmen zur umweltschonenden Fischerei und Fischereistrukturmaßnahmen unterstützt werden sollten. Beide Arten der Mittelverwendung sollten zudem die Akzeptanz des Ausbaus von Windenergieanlagen auf See fördern (BT-Drs. 20/1634, S. 95 f.). 

Die so zu verwendenden Mittel sind hinsichtlich der prozentualen Beträge, die in den Bundeshaushalt fließen, innerhalb von zwölf Monaten nach Erteilung des Zuschlags zu leisten, § 58 WindSeeG 2023. Die Beträge, die an den anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber zu entrichten sind, müssen hingegen über einen Zeitraum von 20 Jahren spätestens ab dem verbindlichen Fertigstellungstermin der Offshore-Anbindungsleitung in gleichbleibenden jährlichen Raten gezahlt werden, §§ 59 Abs. 2, 81 Abs. 2 Nr. 4 WindSeeG 2023. 

Transformationskomponente

Von den vorgenannten prozentualen Vorgaben zur Mittelverwendung sieht der Entwurf der Regierungskoalition rückwirkend und ausschließlich für die Zahlungen aus den Ausschreibungen im Jahr 2023 eine Abweichung vor: 

Nach § 23 Abs. 1a WindSeeG-E, der die Mittelverwendung der Gebote im dynamischen Gebotsverfahren nicht zentral voruntersuchter Flächen regelt, sollen weiterhin 90 Prozent des Gebots an den Übertragungsnetzbetreiber fließen, dem Bundeshaushalt sollen unter dem Titel der Meeresnaturschutzkomponente jedoch lediglich 3,125 Prozent und als sog. Fischereikomponente nur noch ein Prozent zukommen. Die dadurch freiwerdenden 5,875 Prozent der vereinnahmten Gelder sollen zwar weiterhin dem Bundeshaushalt zugutekommen - allerdings als sog. Transformationskomponente. Bezweckt wird damit ausweislich der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Einsatz dieser Mittel zur „notwendigen Transformation“ (BT-Drs. 20/9999, S. 20). Hinsichtlich der Gebote für zentral voruntersuchte Flächen schreibt § 58 Abs. 3 i.V.m. § 57 Satz 2 WindSeeG-E die gleiche prozentuale Mittelverwendung vor.

Beibehalten werden die Leistungszeitunkte. d.h. die Mittel, die dem Bundeshaushalt zukommen sollen, einschließlich der Transformationskomponente, sind weiterhin innerhalb von zwölf Monaten ab dem Zuschlag zu leisten, § 58 Abs. 3 WindSeeG-E, wohingegen die Stromkostensenkungskomponente wie zuvor über 20 Jahre geleistet werden soll. 

Die veränderten Vorgaben zur Mittelverwendung der Ausschreibungserlöse aus dem Jahr 2023 sollen nach Art. 8 des Entwurfes eines zweiten Haushaltsgesetzes 2024 mit Wirkung vom 1. Januar 2023, d.h. rückwirkend, in Kraft treten. Ausweislich der Gesetzesbegründung sehen die Koalitionsfraktionen hierin keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, weil keine schutzwürdigen Interessen berührt würden, sondern nur die Verteilung der Einnahmen betroffen sei (BT-Drs. 20/9999, S. 24; vgl. zum Rückwirkungsverbot: Hangebrauck/Kirch/ Herbold, in: FS Ramsauer, 2023, S. 409ff.). 

Bewertung

Rechtlich zweifelhaft erscheint, ob die vorgeschlagene Regelung dem allgemeinen Grundsatz der Haushaltsklarheit gerecht wird. Werden ausnahmsweise Zweckbindungen bestimmter Einnahmen vorgesehen, so muss diese Zweckbindung aus dem Gesetz eindeutig ablesbar sein.  Aufgrund der rückwirkenden Umwidmung von Teilen der Mittel ließ sich die Mittelverwendung im Vorhinein nicht absehen. Auch bei Einführung der Neuregelung lässt diese im Hinblick auf die Einführung der sog. Transformationskomponente offen, ob die dadurch erfassten Mittel konkret zweckgebunden einzusetzen sind oder allgemein dem Bundeshaushalt zufließen. Denkbar ist, dass die insoweit namentlich verwandte Transformationskomponente an die Zweckverwendung im Klima- und Transformationsfonds anknüpft, d.h. dass die Gelder zur Förderung von Investitionen in Maßnahmen der Energieeffizienz und erneuerbaren Energien im Gebäudebereich, für eine kohlendioxidneutrale Mobilität, in neue Produktionsanlagen in Industriebranchen mit emissionsintensiven Prozessen über Klimaschutzverträge zum Ausbau einer kohlendioxidneutraleren Energieversorgung fließen sollen. Der insoweit knappen Gesetzesbegründung, die allein auf die Vornahme der „notwendigen Transformationen“ abstellt, lässt sich dies nicht entnehmen (BT-Drs. 20/9999, S. 20). 

Besonders überraschend ist im Hinblick auf den Gesetzesentwurf, dass prozentuale Neuaufteilung allein für die 2023 im Wege der Ausschreibungen eingenommenen Mittel bestimmt wird und keine längerfristige Planung erfolgt. Dieses Vorgehen sieht sich allerdings entgegen dem ersten Anschein wohl nicht dem Vorwurf des Verstoßes gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes ausgesetzt, obwohl von der Neuregelung allein die bereits im Jahr 2023 durchgeführten Ausschreibungen betroffen sind. Denn Einzelfallgesetze sind nur insofern verboten, als sie freiheitsbeschränkend wirken. Daran dürfte es bei einem Gesetz fehlen, welches keine neuen Pflichten auferlegt, sondern lediglich Haushaltsmittel umwidmet.

Ob der Entwurf der Regierungsfraktionen, der zunächst am 11. Januar 2024 im Haushaltsausschuss diskutiert wurde und am 15. Januar 2024 im Finanzausschuss beraten werden soll, in dieser Form verabschiedet wird, bleibt abzuwarten.

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