Dem Betriebsrat steht ein Initiativrecht über die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung zu. Das hat das Landesarbeitsgericht München laut einer Pressemitteilung vom 20. Juni 2023 entschieden. Demnach kann der Betriebsrat beim Arbeitgeber Regelungen über das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung erzwingen.
Kontext der Entscheidung
In dem für Aufsehen sorgenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21) hatte der erste Senat entschieden, dass eine Pflicht für Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung bereits aus dem Gesetz folge (näher dazu in unserem Legal Update vom 5. Dezember 2022). Vor diesem Hintergrund lehnte das Bundesarbeitsgericht ein Initiativrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Einführung eines Zeiterfassungssystems ab (Frage des „Ob“). Das Bundesarbeitsgericht wies jedoch in seinen Entscheidungsgründen bereits darauf hin, dass dem Betriebsrat ein Initiativrecht hinsichtlich der Ausgestaltung des Arbeitszeiterfassungssystems – also in Bezug auf das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung – zustehe.
Sachverhalt
Hintergrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München war das Verlangen eines Betriebsrats zur Aufnahme von Verhandlungen über die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung der Beschäftigten im Außendienst. Im Betrieb der Arbeitgeberin bestanden bislang nur Betriebsvereinbarungen über die Arbeitszeit und deren Erfassung für Beschäftigte im Innendienst. Das Verlangen des Betriebsrats lehnte die Arbeitgeberin ab. Zur Begründung führte sie an, dass sie sich grundsätzlich bereits für ein System der elektronischen Arbeitszeiterfassung entschieden habe, aber wegen der anstehenden gesetzlichen Regelung und der geplanten Tariföffnung zunächst keine Regelungen für den Außendienst treffen wolle. Sie hoffe, dass gemäß den zu erwartenden gesetzlichen Regelungen eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Beschäftige im Außendienst nicht bestehe.
Auf Antrag des Betriebsrats wurde vom Arbeitsgericht München eine Einigungsstelle eingesetzt, da nach Auffassung des Arbeitsgerichts ein Initiativrecht hinsichtlich des „Wie“ der Zeiterfassung bestehe.
Die Entscheidung des LAG München vom 22. Mai 2023
Das Landesarbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 22. Mai 2023 (4 TaBV 24/23) – dessen Kernpunkte bislang nur als Pressemitteilung vorliegen – die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt und entschieden, dass dem Betriebsrat in Bezug auf die Ausgestaltung eines Zeiterfassungssystems ein Initiativrecht zusteht. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber die gesetzliche Regelung abwarten wolle, könne dem Initiativrecht des Betriebsrats nicht entgegengehalten werden. Ebenso wenig könne er seinerseits eine Vorentscheidung über die Art der Zeiterfassung treffen, die ihrerseits dann die Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats erfordere. Gerade die Entscheidung über die beste Art der Zeiterfassung sei regelmäßig Gegenstand der Mitbestimmung des örtlichen Betriebsrats, so das Landesarbeitsgericht.
Praxishinweise
Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts München zeigt deutlich, dass die zu erwartende gesetzliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung (Näheres zum Referentenentwurf in unserem Legal Update vom 21. April 2023) den Arbeitgeber nicht davor schützt, dass der Betriebsrat Regelungen über die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung erzwingen kann. Sobald die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gesetzlich geregelt ist, könnte dies dazu führen, dass bereits verhandelte Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat hinfällig werden und erneut Verhandlungen aufgenommen werden müssen. Im Hinblick auf die zu erwartenden gesetzlichen Regelungen sollte bei der Gestaltung der Betriebsvereinbarungen darauf geachtet werden, dass eine zeitnahe Kündigung möglich ist und zudem die Nachwirkung – sofern rechtlich möglich – ausgeschlossen wird.
Zu berücksichtigen ist, dass der Beschluss des Landesarbeitsgerichts München noch nicht rechtskräftig ist. Ob die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wird, dürfte den noch nicht erschienenen Entscheidungsgründen zu entnehmen sein. Angesichts des Urteils des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung und dessen eindeutiger Positionierung zu dieser Frage ist mit der Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht durch das Landesarbeitsgericht aber nicht zu rechnen.