[Köln, ] Wird eine für ein Gesellschafterdarlehen anfechtbar bestellte Sicherung verwertet, entfaltet der Befriedigungstatbestand des § 135 I Nr. 1 InsO keine Sperrwirkung mit der Folge, dass die Anfechtung auch dann greift, wenn die Verwertung länger als ein Jahr vor Antragstellung erfolgte.
BGH, Urteil vom 18. 7. 2013 – IX ZR 219/11 = BeckRS 2013, 13351
Der Beklagte gewährte der Schuldnerin als deren Gesellschafter ab dem Jahre 2001 Darlehen i.H.v. insgesamt EUR 100.016,51. Zur Sicherung trat ihm die Schuldnerin am 15.07.2004 eine ihr gegen die D zustehende Forderung i.H.v. EUR 130.000 ab. Am 29.06.2007 zahlte die D auf Weisung der Schuldnerin einen Teilbetrag von EUR 40.766,49 an den Beklagten aus. Der auf Antrag vom 06.06.2009 über das Vermögen der Schuldnerin bestellte Verwalter verlangt Rückgewähr dieses Betrages. Die Klage hat Erfolg. Der Anspruch beruht auf § 135 I Nr. 1 InsO. Die Schuldnerin hat die ihr gegen die D zustehende Forderung innerhalb der Anfechtungsfrist von zehn Jahren vor Antragstellung an den Beklagten abgetreten. Ohne Belang ist, dass die Sicherung infolge des Forderungseinzugs im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht mehr bestand. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Beklagte die ihm gewährte Sicherung außerhalb der Jahresfrist des § 135 I Nr. 2 InsO zur Befriedigung seiner Forderung versilbert hat. Jede Rechtshandlung ist selbständig auf ihre Ursächlichkeit für gläubigerbenachteiligende Folgen zu überprüfen und begründet ein eigenständiges Rückgewährschuldverhältnis. Der Anfechtbarkeit einer innerhalb von zehn Jahren vor Antragstellung gewährten Sicherung steht deshalb nicht entgegen, dass eine spätere, in der Verwertung liegende Befriedigung außerhalb der Jahresfrist des § 135 I Nr. 2 InsO unanfechtbar wäre. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine für die Verbindlichkeit gewährte Sicherung nach ihren tatbestandlichen Voraussetzungen selbst unanfechtbar ist. Die Unanfechtbarkeit der Befriedigung lässt dagegen die Anfechtbarkeit einer Sicherung unberührt. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. z.B. BT-Drucks. 16/6140 S. 57) ergibt sich kein Hinweis, dass die Anfechtung der Befriedigung (§ 135 I Nr. 2 InsO) im Verhältnis zur Anfechtung der Sicherung (§ 135 I Nr. 1 InsO) Vorrang genießt. Kann eine mit geringem Stammkapital gegründete Gesellschaft überhaupt nur aufgrund ihr gewährter Gesellschafterdarlehen ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen, besteht bei Gewährung einer Sicherung durch die Gesellschaft die Gefahr, dass ab Aufnahme der werbenden Tätigkeit bis zu einer etwaigen Insolvenz praktisch ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen unter Ausschluss der Gläubiger dem Gesellschafter vorbehalten bliebt. In diesen Fällen dürfte sich die Frist des § 135 I Nr. 1 InsO als zu kurz erweisen. Die Inanspruchnahme einer Sicherung für ein Gesellschafterdarlehen belegt, dass der Gesellschafter, der in die Rolle eines außenstehenden Dritten einzurücken sucht, die Übernahme einer Finanzierungsverantwortung ablehnt. Der bereits in der beschränkten Haftung auf das Gesellschaftsvermögen liegende Risikoanreiz des Gesellschafters würde zusätzlich erhöht, wenn er daraus dank einer Sicherung auch noch vorrangig befriedigt werden würde. Die damit verbundenen und letztlich die Gläubigergesamtheit treffenden Risiken und Nachteile rechtfertigen es, die Anfechtungsfrist deutlich länger als bei der Gewährung einer Befriedigung zu bemessen.
Praxishinweis:
Im Schrifttum wurde bislang überwiegend vertreten, dass bei der Verwertung einer Sicherung wegen der darin liegenden Befriedigung nur eine Anfechtung nach § 135 I Nr. 2 InsO möglich sei, weil die Sicherung eine bloße Vorstufe der auf ihrer Grundlage bewirkten Befriedigung darstelle und § 135 I Nr. 2 InsO somit im Verhältnis zu § 135 I Nr. 1 InsO eine Sperrwirkung entfalte. Dem erteilt der Senat in der vorliegenden Entscheidung mit beachtlichen Argumenten eine klare Absage. Für den Gesellschafter dürfte es künftig wenig Sinn machen, sich Sicherheiten einräumen zu lassen.