Widerrufsfrist bei vom Muster abweichender Belehrung (BGH Urteil vom 01.12.2010, VIII ZR 82/10)

15.03.2011

[] Ein Verbraucher bestellte im Januar 2007 über das Internet bei einem Unternehmen einen Computer. Der Computer wurde nach Bezahlung durch den Verbraucher etwa drei Wochen später geliefert, wobei der Lieferung eine Rechnung beigefügt war, welche unter der Überschrift Widerrufsrecht eine Belehrung über das Widerrufsrecht u.a. mit folgender Formulierung beinhaltete: „Verbraucher können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."

Der Verbraucher erhob verschiedene Mängelrügen und sandte den Computer mehrfach an den Unternehmer zurück. Etwa fünf Monate nach dem Kauf trat er vom Kauf zurück und erklärte zusätzlich über seinen Rechtsanwalt den Widerruf des Vertrages.

Die Gerichte hatten hierbei zu klären, ob auch fünf Monate nach dem Vertragsschluss die Ausübung des Widerrufsrechtes noch möglich war. Der Schwerpunkt der gerichtlichen Entscheidung lag daher in der Frage, ob die durch das Unternehmen verwendete Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß war.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Dem Unternehmer ist eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung jedenfalls dann verwehrt, wenn der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung vollständig entspricht.

Durch die Verwendung der Überschrift "Widerrufsrecht" anstelle von "Widerrufsbelehrung" und das Weglassen der Zwischenüberschriften "Widerrufsrecht", "Widerrufsfolgen" und "Finanzierte Geschäfte" wird der Verbraucher nicht hinreichend darüber informiert, dass ihn im Zusammenhang mit seinem Widerrufsrecht auch Pflichten treffen, welche in den Widerrufsfolgen geregelt sind. Das Fehlen der Überschrift "Widerrufsbelehrung" führt dazu, dass für den Verbraucher nicht hinreichend deutlich wird, dass die kleingedruckten Ausführungen unter der Überschrift "Widerrufsrecht" eine für den Verbraucher wichtige Belehrung enthalten. Damit ist die verwendete Widerrufsbelehrung unzureichend und setzt die gesetzlich vorgesehene Frist zur Ausübung des Widerrufsrechtes nicht in Gang.

Die vom Unternehmer verwendete Widerrufsbelehrung darf zwar gemäß § 14 Abs. 3 BGB-InfoV in Format und Schriftgröße von der Musterbelehrung abweichen, muss aber - auch bei Verwendung des Textes der Musterbelehrung - deutlich gestaltet sein.

FAZIT

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes erging zwar noch zu der alten Gesetzeslage, bei der sich das Muster für die Widerrufsbelehrung aus der Anlage 2 zu § 14 der BGB – InfoVO ergab, sie hat aber Bedeutung auch für die heutige Gesetzeslage, bei der sich die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen aus Art. 246 § 1 EGBGB und der Anlage 1 hierzu (Muster für die Widerrufsbelehrung) ergeben. Im Gegensatz zur damaligen Gesetzeslage hat heute das Muster für die Widerrufsbelehrung Gesetzesrang, so dass sich Unternehmen, welche das Muster wörtlich übernehmen, darauf verlassen dürfen, sich gesetzeskonform zu verhalten. Hinsichtlich der früheren Musterwiderrufsbelehrung, welche keinen Gesetzescharakter hatte, gab es eine Reihe von Entscheidungen, die sich damit beschäftigten, inwieweit das Muster überhaupt den Anforderungen des BGB gerecht würde.

Ungeachtet dieser Fragen ist die Entscheidung des BGH auch für die aktuelle Gesetzeslage von Bedeutung. Eine ordnungsgemäße Belehrung eines Verbrauchers setzt voraus, dass er über sein Widerrufsrecht und dessen Folgen ordnungsgemäß belehrt wurde. Dies beinhaltet, dass die Belehrung deutlich gestaltet und gegliedert ist und eine für einen Verbraucher zumutbare Schriftgröße verwendet wird. Hierbei sind die vom Gesetzestext auch vorgesehenen Zwischenüberschriften zu verwenden.

Zwar ist eine ordnungsgemäße Belehrung auch denkbar, ohne dass das Gesetzesmuster wörtlich abgeschrieben wird, ein Unternehmen, das in dieser Form belehren möchte, setzt sich allerdings immer der Gefahr aus, dass ein Gericht zu bewerten hat, ob eine individuelle Belehrungsform noch den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat. Insoweit ist zu empfehlen, sich möglichst genau am Muster der aktuellen Widerrufsbelehrung zu orientieren und hierbei die im Gesetz gegebenen Gestaltungshinweise zu beachten. Hierbei ist wegen der Komplexität der Materie und der Frage, welche Hinweise wie zu beachten sind, ein Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

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