Neues zum Mindestlohn

17.12.2015

[Frankfurt, ] Seit dem 1. Januar 2015 existiert bundesweit ein einheitlicher Mindestlohn in Höhe von EUR 8,50 je Zeitstunde. Eines der zentralen Probleme im Hinblick auf den Mindestlohn ist die Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen. Als Grundsatz ist davon auszugehen, dass nur Vergütungsbestandteile anrechenbar sind, die funktional gleichwertig sind, also gerade die Leistung vergüten, die durch den Mindestlohn abgegolten werden soll. Dies kann u. U. bei Leistungszusagen und Boni, nicht aber beispielsweise bei vermögenswirksamen Leistungen der Fall sein. Nachfolgend werden zwei Entscheidungen dargestellt, die weitere grundsätzliche Fragen in Zusammenhang mit dem Mindestlohn betreffen.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte in seinem Urteil vom 2. Oktober 2015 (9 Sa 570/15 u. a.) über eine Änderungskündigung zu entscheiden, mittels der ein Arbeitgeber aufgrund des nunmehr höheren Stundenlohns gemäß Mindestlohngesetz bisher gezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld streichen wollte.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, dessen Entscheidung bisher lediglich als Pressemitteilung vorliegt, hat die Änderungskündigung für unwirksam erklärt. Das Gericht geht davon aus, dass weder Urlaubsgeld noch Sonderzahlung, die im vorliegenden Fall von der Betriebszugehörigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers abhängig waren, im engeren Sinne der Bezahlung der Arbeitsleistung dienten, sondern es sich um zusätzliche Prämien handelte, die nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden könnten. In einem solchen Fall seien vielmehr die allgemeinen Grundsätze für eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung anzuwenden, die vorliegend wohl nicht erfüllt waren.

Praxisrelevanz

Arbeitgeber sollten im Hinblick auf den Ausspruch von Änderungskündigungen zur Anpassung der Vergütung wegen Einführung des Mindestlohns Vorsicht walten lassen. Eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich, die in der Praxis fast nie erfüllt sind. Ob aus dem vorliegenden Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung ausnahmsweise unter geringeren Voraussetzungen möglich ist, wenn lediglich Vergütungsbestandteile gestrichen werden, die auf den Mindestlohn tatsächlich anrechenbar sind, kann aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden, da die Urteilsgründe der entsprechenden Entscheidung nicht vorliegen.

Entscheidung

Das sächsische Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 24. Juni 2015 (2 Sa 56/15) entschieden, dass eine Kündigung wegen Nichtannahme eines Änderungsangebots zum Arbeitsvertrag gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoße und deshalb unwirksam sei. Grund hierfür war der vom Gericht festgestellte Verstoß des Änderungsangebotes gegen das Mindestlohngesetz. Das vom beklagten Arbeitgeber unterbreitete Änderungsangebot sah die Zahlung eines Gehalts entsprechend dem gesetzlichen Mindestlohn vor, enthielt jedoch gleichzeitig eine Klausel, nach der pauschal 10 Überstunden im Monat mit dem Grundgehalt abgegolten werden sollten. Das sächsische Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass aufgrund dieser pauschalen Überstundenabgeltungsklausel der Mindestlohn unterschritten werde und das Änderungsangebot deshalb gegen das Mindestlohngesetz verstoße.

Praxisrelevanz

Die Entscheidung des sächsischen Landesarbeitsgerichts birgt Sprengkraft. Pauschale Überstundenabgeltungsklauseln können - unter den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen - grundsätzlich wirksam vereinbart werden und sind in der Praxis üblich. Arbeitgeber sind nunmehr gehalten, jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen, im Rahmen derer lediglich der Mindestlohn bezahlt wird oder dieser nur geringfügig überschritten wird, genau zu prüfen, ob mit der Anzahl der pauschal abzugeltenden Überstunden der Mindestlohn nicht doch wieder unterschritten würde. Sollte dies der Fall sein, drohen dem Arbeitgeber Nachzahlungsansprüche der Arbeitnehmer.

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