Leitsatz
Ein Mitglied des Betriebsrats kann nach § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn er seine Pflichten nachhaltig verletzt. Dies ist anzunehmen, wenn über Monate wegen behaupteter Betriebsratstätigkeit keine Arbeitsleistung erbracht wird.
Sachverhalt
Der Arbeitgeber beschäftigte bis Ende 2013 über 200 Arbeitnehmer. Das Betriebsratsmitglied X war vollständig freigestellt (§ 38 Abs. 1 BetrVG). Nach einer Umstrukturierung beschäftigte das Unternehmen weniger als 200 Arbeitnehmer, so dass im 2014 eine Neuwahl des Betriebsrats stattfand. Das Betriebsratsmitglied X wurde erneut in den Betriebsrat gewählt. Obwohl kein Freistellungsanspruch nach § 38 BetrVG mehr bestand, erbrachte das Betriebsratsmitglied X weiterhin keine Arbeitsleistung. Er teilte dem Arbeitgeber tagtäglich mit, dass er Betriebsratsarbeit machen müsse. Er berief sich auf § 37 Abs. 2 BetrVG - die temporäre Freistellungsbefugnis. In der Folgezeit wurde mehrfach beschlossen, X für mehrere Wochen "wegen Betriebsratsarbeit" freizustellen. In den Schreiben wurden lediglich stichwortartig einige Aufgaben genannt.
Entscheidung
Der Arbeitgeber stellte beim Arbeitsgericht gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG einen Antrag auf Ausschluss des Betriebsratsmitglieds X aus dem Betriebsrat. Das Arbeitsgericht Bonn gab dem Arbeitgeber Recht (Beschluss vom 17. März 2015, 1 BV 59/15, nicht rechtskräftig). Durch das Gericht wurde in der Verhandlung darauf hingewiesen, dass es bei einer monatelangen Freistellung auf Grundlage von § 37 Abs. 2 BetrVG nicht aus-reichend sei, lediglich stichwortartig Betriebsratstätigkeiten zu behaupten. Der Betriebsrat hätte die Erforderlichkeit konkret belegen müssen. Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor.
Anmerkung
Gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG kann beim Arbeitsgericht der Ausschluss eines Betriebsrats beantragt werden, wenn dieser grob seine gesetzlichen Pflichten verletzt. Es ist danach davon auszugehen, dass ein Missbrauch der Freistellungsbefugnis nach § 37 Abs. 2 BetrVG zum Ausschluss aus dem Betriebsrat führen kann. Die Norm erlaubt die Arbeitsbefreiung, wenn diese zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist. Das Betriebsratsmitglied hat hierbei einen Beurteilungsspielraum. Er muss dem Arbeitgeber grundsätzlich nur mitteilen, dass er Betriebsratstätigkeiten ausübt. Er ist nicht dazu verpflichtet, vorab mitzuteilen, für welche Tätigkeiten die Freistellung erfolgen soll. Aufgrund des Beurteilungsspielraums ist die Norm allerdings auch anfällig für einen Rechtsmissbrauch. Der Arbeitgeber muss darauf vertrauen, dass das Betriebsratsmitglied im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit zeiteffizient sein Betriebsratsamt ausübt.
Im vorliegenden Fall war ein Missbrauch der Freistellungsbefugnis offenkundig. Nach der Neuwahl hatte das Betriebsratsmitglied keinerlei Arbeitsleistung erbracht, sondern es erfolgte faktisch weiterhin eine Voll-Freistellung. § 37 Abs. 2 BetrVG wurde instrumentalisiert. Der Entscheidung ist daher zuzustimmen. Es bleibt abzuwarten, ob diese in Rechtskraft erwächst.