Abstimmung durch Bundestag: Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt.

Hamburg, 20.12.2022

Newsletter Arbeitsrecht Q4Bislang riskierten Beschäftigte mit dem Hinweis auf Missstände und Gesetzesverstöße beim eigenen Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. Dies soll sich zukünftig ändern und sogenannte Whistleblower im beruflichen Umfeld besser geschützt werden. Auf europarechtlicher Ebene wurde hierfür mit der Hinweisgeberschutzrichtlinie (2019/1937) - HinSchRL bereits Ende 2019 die Grundlage geschaffen. Die Umsetzung in nationales Recht hätte eigentlich bis Dezember letzten Jahres erfolgen müssen. Dem deutschen Gesetzgeber ist dies nicht gelungen. Das daraufhin gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren scheint dem deutschen Gesetzgeber nun weitere Motivation. Der Bundestag hat in seiner letzten Sitzung des Jahres am 16. Dezember 2022 einem rund 100-seitigen Regierungsentwurf zum deutschen Hinweisgeberschutzgesetz - HinSchG mit einigen letzten Änderungen zugestimmt. Damit fehlt lediglich noch die Zustimmung des Bundesrates. Dieser wird voraussichtlich in seiner ersten Plenarsitzung im nächsten Jahr am 10. Februar 2023 entscheiden. Sollte kein Widerstand bestehen, dürfte mit der Verkündung des HinSchG  folglich noch Anfang 2023 zu rechnen sein, in Kraft treten soll das Gesetz drei Monate später.

Private und öffentliche Beschäftigungsgeber müssen sich damit darauf vorbereiten, zeitnah von den weitreichenden Regelungen zum Hinweisgeberschutz erfasst zu werden. Wir möchten Sie deshalb bereits jetzt über die praxisrelevantesten Regelungen informieren:

Wer und was wird geschützt?

Geschützt sind alle natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit oder auch im Vorfeld zu ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über strafrechtlich relevante Verstöße gegen EU-Recht und/oder deutsches Recht erlangt haben und diese an eine dafür vorgesehene Stelle melden oder offenlegen. Ergänzend erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG auf bestimmte Bußgeldtatbestände sowie Meldungen über Verstöße gegen Vorschriften in anderen Rechtsbereichen. Von Relevanz sind insbesondere Vorgaben zur Bekämpfung von Geldwäsche, zur Arbeits- und Produktsicherheit sowie zum Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz. Ebenso schützt das HinSchG aber auch Personen, die Gegenstand einer solchen Meldung oder Offenlegung oder von dieser betroffen sind. In seiner letzten Fassung sieht das HinSchG nunmehr auch den Schutz von Personen vor, die verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten melden. Dies umfasst auch Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle.

Anforderungen an Beschäftigungsgeber?

Die verbindlichen Regelungen des HinSchG sollen Rechtssicherheit schaffen, wann und durch welche Vorgaben hinweisgebende Personen bei der Meldung oder Offenlegung von Verstößen geschützt sind. Gleichzeitig sollen die Prozesse für Wirtschaft und Verwaltung handhabbar bleiben. Kernstück des Gesetzesentwurfs ist insofern die Schaffung eines geordneten Meldesystems. Hinweisgebende Personen sollen die Möglichkeit erhalten, ihren Verdacht in einem geschützten Umfeld zu kommunizieren. Gleichzeitig werden Beschäftigungsgeber u.a. zur Bearbeitung der Hinweise sowie zur Dokumentation und Information über die Prozesse verpflichtet. Verstöße gegen diese Vorgaben haben Sanktionen zur Folge. Diese in Zukunft zu beachtenden Anforderungen stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Einrichtung und Organisation interner Meldestellen

Das HinSchG verpflichtet alle Unternehmen mit mind. 50 Beschäftigten und - unabhängig von der Beschäftigtenzahl - alle Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche sowie öffentliche Dienststellen dazu, eine interne Meldestelle einzurichten, an die sich die Beschäftigten wenden können. Diese sind zukünftig für den Betrieb der einzurichtenden Meldekanäle, die Prüfung der Stichhaltigkeit von Meldungen und dem Ergreifen sogenannter Folgemaßnahmen (z.B. interne Untersuchungen, Kontaktaufnahme zu den betroffenen Personen und Arbeitseinheiten) zuständig. Für bestimmte Bundes- und Landesbehörden schreibt das HinSchG zudem die Implementierung von externen Meldestellen vor. Der Gesetzesentwurf sieht damit gleich zwei alternative Meldewege vor, zwischen denen hinweisgebende Personen grundsätzlich frei wählen können.

Geeignete und fachkundige Verantwortliche

Als interne Meldestelle ist mind. eine geeignete und fachkundige Person (z.B. Leiterinnen oder Leiter der Compliance-Abteilung, der/die Integritäts-, Rechts- oder Datenschutzbeauftragte oder Auditverantwortliche) zu bestimmen. Die Fachkunde ist durch den Beschäftigungsgeber durch ein entsprechendes Schulungsangebot sicherzustellen. Die Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben der internen Meldestelle ist ebenfalls möglich. Die Meldestellen können beispielsweise mit einer Ombudsperson oder auch externen Anwältinnen und Anwälten besetzt werden. Mehrere private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten haben zudem die Möglichkeit, eine gemeinsame Meldestelle einrichten. Dies wird insbesondere für Konzernunternehmen hohe Praxisrelevanz haben. Sichere Meldekanäle

Das HinSchG verpflichtet Beschäftigungsgeber, die Sicherheit der internen Melde-Kanäle zu gewährleisten. Hinweisgebenden Personen ist die Möglichkeit zu geben, jederzeit Meldungen zu erstatten, entweder in Textform und/oder mündlich per Telefon oder einer anderen Art der Sprachübermittlung. Auf Ersuchen ist eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme von Meldungen zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen. Erst letzte Woche wurde der Gesetzesentwurf zudem noch um die Pflicht ergänzt, auch anonyme Hinweise zu ermöglichen und im Anschluss auch bearbeiten zu müssen. Die entsprechenden Vorkehrungen sind zu schaffen (z.B. anonymer Briefkasten). Vertraulichkeitsgebot und Geheimhaltungspflichten Interne Meldestellen unterliegen einem strikten Vertraulichkeitsgebot. Die Identität der hinweisgebenden Person muss geschützt sein. D.h., alle Informationen, über die Rückschlüsse auf die hinweisgebende Person gezogen werden können, sind geheim zu halten. Dieser Schutz gilt auch gegenüber Personen, die selbst Gegenstand der Meldung sind. Sie sind weder zu informieren, noch haben sie einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch. Gesetzliche Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgebot gelten allerdings bei hinweisgebenden Personen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen melden. Außerdem dürfen Informationen u.a. auf Verlangen an Strafverfolgungsbehörden sowie auf Anordnung in nachfolgenden Verwaltungsverfahren oder aufgrund gerichtlicher Entscheidung weitergegeben werden, wobei die hinweisgebende Person vorab über die Weitergabe zu informieren ist.

Fristen, Informations- und Dokumentationspflichten

Damit hinweisgebende Personen ihr Wahlrecht ausüben können, sind Beschäftigte über alternative externe Meldewege und einschlägige Meldeverfahren von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der EU zu informieren. Die Informationen müssen klar verständlich und leicht zugänglich sein. Geht eine Meldung ein, sind die internen Meldestellen wiederum verpflichtet, der hinweisgebenden Person unter Einhaltung einer 7-Tage-Frist Rückmeldung über den Eingang der Meldung zu geben. Weitere drei Monate später ist u.a. über die ergriffenen bzw. geplanten Folgemaßnahmen und deren Gründe, den Stand der internen Ermittlungen und/oder deren Ergebnis zu informieren. Gleichzeitig sind eingehende Meldungen und das gesamte Verfahren bis zum Abschluss umfassend zu dokumentieren.

Verbot von Repressalien und Beweislastumkehr

Gehen hinweisgebende Personen nach den Regeln des HinSchG vor, sind Repressalien, deren Versuch oder Androhung gegen sie verboten. Dies umfasst Benachteiligungen wie z.B. Kündigungen, Versetzungen, Disziplinarmaßnahmen und auch Rufschädigung. Dieser Schutz wird sich auch im Streitfall vor Behörden und Gerichten auswirken. Erfolgt eine entsprechende Maßnahme nach einer Meldung oder Offenlegung, greift in Zukunft zu Gunsten der hinweisgebenden Person die Vermutung, dass die Benachteiligung als Reaktion auf den Hinweis erfolgt ist. Das Gegenteil werden Beschäftigungsgeber zu beweisen haben.

Sanktionen bei Verstößen

Bei Verstößen gegen die Vorgaben des neuen HinSchG drohen spürbare Sanktionen. Bei mangelnder oder mangelhafter Einrichtung von internen Meldestellen kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 20.000 EUR verhängt werden. Für die Behinderung einer Meldung oder den Versuch einer Behinderung droht eine Geldbuße von bis zu 100.000 EUR. Gleiches gilt, wenn unberechtigte Repressalien gegen hinweisgebende Personen ergriffen werden oder bei Vertraulichkeitsverstößen im Hinblick auf die Identität der hinweisgebenden Personen. Werden trotz Meldung keine Maßnahmen ergriffen, können hinweisgebende Personen die Informationen zudem unter dem Schutz des HinSchG öffentlich machen. Durch eine weitere Ergänzung des HinSchG können hinweisgebende Personen, die Repressalien erleiden, neben Vermögensschäden nun auch immaterielle (Ruf-)Schäden ersetzt verlangen.

Schadensersatz bei Fehlmeldungen

Falsche Verdächtigungen können weitreichende Folgen haben und die Auswirkungen lassen sich nur selten gänzlich rückgängig machen. Erfolgt eine Meldung oder Offenlegung vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig, sieht der Gesetzesentwurf daher Schadensersatzansprüche zu Gunsten der Betroffenen vor.

Handlungsempfehlung

Fest steht: Das deutsche HinSchG wird kommen. Kleinere Unternehmen mit maximal 249 Beschäftigten sollen für die Einrichtung interner Meldestellen zwar mehr Zeit bekommen (bis zum 31.12.2023). Alle anderen Unternehmen und öffentlichen Dienststellen müssen jedoch mit dem nahenden Inkrafttreten handlungsbereit sein. Allen Verpflichteten ist damit bereits jetzt zu raten, ihre bisherigen Compliance-Systeme, Richtlinien und relevanten Regelungen auf die neuen gesetzlichen Anforderungen hin zu überprüfen und eine interne Meldestelle einzurichten. Ebenso ist zu empfehlen, geeignete Anreize für Beschäftigte zu schaffen, relevante Verstöße zunächst an interne Meldestellen zu melden. Dadurch können etwaige Missstände zunächst intern und mit der gebotenen Sorgfalt untersucht werden. Sodann ist über die richtigen Maßnahmen zu entscheiden.

 

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