Fallstricke bei der Veränderung von Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den Renteneintritt hinaus

26.01.2021

RentnerZeichnet sich das Ende eines Arbeitsverhältnisses aufgrund des Erreichens der Regelaltersgrenze ab und haben die Arbeitsvertragsparteien eine wirksame Beendigungsvereinbarung für diesen Fall vorgesehen, stehen die Arbeitsvertragsparteien nicht selten vor der Frage, unter welchen Umständen eine (befristete) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus möglich ist. § 41 S. 3 SGB VI sieht insoweit für die Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit vor, durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinauszuschieben. Obwohl diese Regelung recht klar wirkt, gab und gibt es einen Rechtstreit darüber, ob die Arbeitsvertragsparteien beim „Hinausschieben“ des Beendigungszeitpunktes auf eben dies beschränkt sind oder ob sie in diesem Zusammenhang auch weitere Vertragsinhalte ändern können. Hintergrund für diesen Streit ist der Umstand, dass im Rahmen von sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Verlängerung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG dann nicht vorliegt, wenn neben dem Beendigungszeitpunkt des befristeten Arbeitsvertrages zugleich auch weitere Vertragsinhalte geändert werden.

Veränderung der Arbeitsbedingungen bei befristeter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Renteneintritt hinaus unschädlich

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 30. April 2020 (Az.: 3 Sa 98/19) zu diesem Streit Stellung bezogen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg erweist sich eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus und eine damit einhergehende inhaltliche Veränderung der Arbeitsbedingungen im Hinblick auf eine Befristungskontrolle als unschädlich. 

Zu Beginn weist das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zutreffend daraufhin, dass der Wortlaut des § 41 S. 3 SGB VI für sich genommen überhaupt keine Aussage hinsichtlich inhaltlicher Veränderungen von Arbeitsbedingungen treffe. Entgegen anderslautender Stimmen in der Literatur ergebe sich auch nichts Anderes aus den Gesetzesmaterialien in § 41 S. 3 SGB VI. Für das Ergebnis, dass die Regelung des § 41 S. 3 SGB VI einer Veränderung der Arbeitsbedingungen nicht entgegenstünde, spreche schließlich der Sinn und Zweck der Regelung. Dieser solle den Arbeitsvertragsparteien ermöglichen, das Arbeitsverhältnis nach Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus fortzusetzen und hierbei den Vertragsinhalt an die neue Situation flexibel und rechtssicher anzupassen. Ein Arbeitnehmer, der bereits die Regelaltersgrenze erreicht habe, sei weniger schutzwürdig als Arbeitnehmer, die am Anfang des Berufslebens stünden und im Zusammenhang mit der Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG vor inhaltlichen Änderungen des Arbeitsverhältnisses zu schützen sein. Etwaigen Missbrauchsrisiken könnten durch den Grundsatz des institutionellen Rechtsmissbrauchs begegnet werden.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg weiß zu überzeugen. Zu begrüßen ist die klare Aussage, dass gerade die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien eine solche Interpretation der Norm nahelege. Für bereits vereinbarte Verlängerungen bietet diese Entscheidung zunächst Rechtssicherheit. Das letzte Wort ist hier jedoch nicht gesprochen, da Revision gegen die Entscheidung beim Bundesarbeitsgericht eingelegt wurde. Bis zur Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht sollte der nach wie vor bestehenden Rechtsunsicherheit durch eine entsprechende Vertragsgestaltung begegnet werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch das Bundesarbeitsgericht der Auffassung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg anschließt und dem beiderseitigen Interesse der Arbeitsvertragsparteien ausreichend Rechnung trägt. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

Dr. David Sundermann

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