Zusammengesetztes Rechtsgeschäft: Allein die Abhängigkeit des Grundstückskaufvertrages erfordert nicht (mehr) die Beurkundung auch des in Aussicht genommenen, anderen Rechtsgeschäfts

Köln, 27.04.2021

Soll ein Grundstückskaufvertrag, der per Gesetz (§ 311b BGB) notariell zu beurkunden ist, mit einem anderen damit im Zusammenhang stehenden Rechtgeschäft „stehen und fallen“, bedarf nach der Rechtsprechung allein deswegen auch das besagte andere Rechtsgeschäft der notariellen Beurkundung. Mit einer aktuellen Entscheidung vom 29. Januar 2021 (Az. V ZR 139/19) weicht der Bundesgerichtshof diesen Grundsatz jetzt deutlich auf.

Bisherige Rechtslage 

Das Erfordernis der notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages erstreckt sich über den eigentlichen Wortlaut des § 311b BGB hinaus auch auf solche Rechtsgeschäfte und Verträge, von denen der Grundstückskaufvertrag rechtlich abhängt. Man spricht dabei wahlweise von „zusammengesetzten Rechtsgeschäften“ oder auch von einem „einheitlichen Rechtsgeschäft“. Eine nicht erfolgte Beurkundung des anderen Rechtsgeschäfts führt in einem solchen Fall zur Formnichtigkeit des gesamten einheitlichen Rechtsgeschäfts.

Für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ist allein die Abhängigkeit des Grundstückskaufvertrages von dem anderen Geschäft und nicht umgekehrt entscheidend. Der entsprechende Verknüpfungswille ergibt sich dabei vor allem aus dem erkennbar gewordenen und akzeptierten Willen mindestens einer Partei, das rechtliche Schicksal des Grundstückskaufvertrages von dem anderen Rechtsgeschäft abhängig zu machen. Ein Automatismus der Abhängigkeit ist dafür nicht zwingend erforderlich. Auch der Vorbehalt von entsprechenden Gestaltungsrechten könnte theoretisch noch das Risiko bergen, dass ein einheitliches Rechtsgeschäft angenommen wird. 

Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs

In seiner aktuellen Entscheidung relativiert der Bundesgerichtshof die Voraussetzungen, die zur Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts und damit zur Beurkundungsbedürftigkeit auch des anderen Rechtsgeschäfts führen. Stehe ein beurkundungsbedürftiger Grundstückskaufvertrag unter der – ebenfalls beurkundeten – Bedingung des Zustandekommens oder des Fortbestandes eines anderen Rechtsgeschäfts, führe dies noch nicht zur Annahme einer zur Beurkundungsbedürftigkeit führenden Geschäftseinheit. Eine solche Geschäftseinheit liege vielmehr nur vor, wenn Teile des anderen Rechtsgeschäfts auch Inhalt des Grundstücksgeschäfts sein sollen. 

Zur Begründung verweist der Bundesgerichtshof auf die eigentliche Herleitung, dass die Beurkundungsbedürftigkeit „für den gesamten Inhalt der getroffenen Vereinbarungen des Grundstücksgeschäfts“ bestehe. Erklärungen, die keinen Regelungscharakter hätten wie vor Vertragsschluss mitgeteilte Informationen und Motive seien aber demgegenüber nicht beurkundungsbedürftig. Nur wenn die Parteien den Willen hätten, die beiden Verträge auch inhaltlich miteinander zu verknüpfen, liege ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, das dann insgesamt beurkundungsbedürftig sei.

Folgen für die Praxis 

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wie sie insbesondere in ihrem ersten Leitsatz zusammengefasst wird, ist mindestens als eine bedeutsame Differenzierung zur bisherigen Rechtslage zu sehen und trägt insofern zu mehr Rechtsklarheit bei. Gerade bereits abgeschlossene Fallgestaltungen, bei denen das andere Rechtsgeschäft nicht beurkundet wurde, lassen sich dadurch ggf. besser einer sachgerechten bzw. im weitesten Sinne „fairen“ Lösung zuführen.

Für die Frage, ob künftig neben dem Grundstücksgeschäft weitere Rechtsgeschäfte beurkundet werden sollten, fällt der Erkenntnisgewinn aber geringer aus. Denn in den allermeisten Fällen wird sich der Verknüpfungswille jedenfalls einer der Parteien nicht nur auf irgendein weiteres Rechtsgeschäft an sich sondern auch auf einen bestimmten Inhalt beziehen. Darum erscheint die Abgrenzung zwischen einem rechtlich relevant verknüpften Inhalt und bloßen Motiven ein eher theoretisches Unterfangen, was praktisch schwierig erscheint und bei dem die Übergänge fließend sein dürften.

Etwaiger verknüpfter Inhalt muss nach der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch Inhalt des Grundstücksgeschäfts werden. Eine Einbeziehung in das gleiche Dokument ist aber gerade in den Fällen, in denen das andere Rechtsgeschäft mit einer dritten Partei geschlossen werden soll, häufig nicht durchführbar bzw. jedenfalls nicht zweckmäßig. Alternativ muss dieser einbezogene Inhalt – wie gehabt – per separater Beurkundung dem notariellen Formerfordernis genügen. Da die Abgrenzung zwischen reiner Bedingtheit und einem zusätzlich Teil des Grundstücksgeschäfts werdenden Inhalt voraussichtlich häufig zugunsten der letzteren Alternative ausfallen wird, liegt zumindest nahe, dass man in Zweifelsfällen auch künftig das andere Rechtsgeschäft vorsorglich weiterhin formwahrend beurkunden sollte.
 

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