[Köln, ] Verdächtigt ein Arbeitgeber beispielsweise einen Mitarbeiter, "krank zu feiern", oder ein Betriebsratsmitglied, die Zeit der Arbeitsbefreiung in Wahrheit nicht zur Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben zu nutzen, besteht für ihn häufig in der Beauftragung einer Detektei die einzige Möglichkeit, diesem Verdacht effektiv nachzugehen.
Doch die Entscheidung, Detektive für die Überwachung eines Beschäftigten einzusetzen, will wohlüberlegt sein, wie ein aktuelles rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. April 2017 (Az.: 5 Sa 449/16) bestätigt.
Entscheidung
Der Kläger, nicht freigestellter Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsvorsitzender, machte gegenüber der Beklagten, seiner Arbeitgeberin, geltend, seine Betriebsratstätigkeit nehme so viel Zeit in Anspruch, dass er für die ordnungsgemäße Erledigung seiner Betriebsratsaufgaben vollständig von seiner Arbeitspflicht zu befreien sei. Dementsprechend verweigerte er auch jede Arbeitsleistung.
Die Beklagte vermutete hingegen, dass der Kläger während seiner Arbeitsbefreiung tatsächlich einer Nebentätigkeit nachgehe und ließ ihn deswegen über insgesamt 20 Tage während seiner vertraglichen Arbeitszeit von mehreren Detektiven beobachten. Durch einen anonymen Tipp erfuhr der Kläger von der Observierung. Er sah sich durch die heimliche Überwachung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Zahlung einer Entschädigung. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern wies die Klage noch ab. Weil die Überwachung nur während der Arbeitszeit des Klägers stattgefunden habe, sei der Bereich der privaten Lebensführung nicht betroffen gewesen. Außerdem habe die Detektei – was der Kläger allerdings bestritt - keine Film- oder Videoaufnahmen gefertigt. Das Landesarbeitsgericht ließ die Argumentation des Arbeitsgerichts aber nicht gelten und gestand dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von EUR 10.000,- zu. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung liege bereits in der heimlichen Observation des Klägers für die Dauer von 20 Arbeitstagen durch mehrere Detektive gleichzeitig, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden hätten. Dafür spreche insbesondere die gesetzliche Wertung des § 163f StPO, wonach die heimliche Observation durch Strafverfolgungsbehörden über einen längeren Zeitraum selbst bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine erhebliche Straftat unter Richtervorbehalt stehe.
Anmerkung
Plant ein Arbeitgeber die heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers wegen des Verdachts einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung, sollte er sich zur Vermeidung von Entschädigungs-ansprüchen - auch wenn keine Film- oder Fotoaufnahmen gemacht werden sollen - auf konkrete Anhaltspunkte für seinen Verdacht stützen können.
Von besonderer Bedeutung für die Praxis ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz, weil das Gericht dem Kläger eine verhältnismäßig hohe Entschädigung zugesprochen hat. In einem Urteil vom 19. Februar 2015 (Az.: 8 AZR 1007/13) hat das Bundesarbeitsgericht eine Entschädigung von EUR 1.000 für angemessen gehalten, obwohl die dortige, für vier Tage überwachte Klägerin sogar außerhalb ihrer Arbeitszeit gefilmt und fotografiert wurde. Dies bestätigt, dass die Arbeitsgerichte einen erheblichen Entscheidungsspielraum bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe haben.