Neues zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen (OLG Düsseldorf Urteil vom 22.12.2010, VI-2 U (Kart) 34/09)

15.03.2011

[] Bei Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen ist fraglich, ob sich der Beklagte mit dem Argument verteidigen kann, der Kläger habe seinen Schaden auf die nachgelagerte Marktstufe abgewälzt. Das OLG Düsseldorf hat diese sog. „Passing-on-Defence" nun in einer Entscheidung vom 22.12.2010 als grundsätzlich zulässig angesehen und ist damit von Entscheidungen des OLG Karlsruhe (11.06.2010) und des KG Berlin (01.10.2009) abgewichen.

Grundzüge des kartellrechtlichen Schadensersatz­anspruchs

Nach § 33 Abs. 3 GWB hat zumindest jeder unmittelbare Abnehmer einen Schadensersatzanspruch. Solche Schadensersatzansprüche werden praktisch nach jeder kartellbehördlichen Bußgeldentscheidung geltend gemacht. Denn bereits mit Rechtskraft dieser Entscheidung steht der Kartellrechtsverstoß auch für den Schadensersatzprozess verbindlich fest (§ 33 Abs. 4 GWB). Ferner ist die Verjährung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs während des behördlichen Verfahrens gehemmt (§ 33 Abs. 5 GWB). Schließlich muss die Schadenshöhe nicht auf den Cent genau berechnet werden, sondern das zuständige Gericht kann sie schätzen (§ 287 ZPO).

Nach § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB ist ein Schaden nicht dadurch ausgeschlossen, dass die überteuert bezogene Ware oder Dienstleistung an einen Abnehmer weiterveräußert wurde. Diese Bestimmung wird von der herrschenden Lehre nicht als Ausschluss der Passing-on-Defence verstanden, sondern als Klarstellung, dass sie im Wege der Vorteilsausgleichung (und nicht bereits bei der Entstehung des Schadens) berücksichtigt werden kann.

Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf betraf einen Fall des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch Forderung überhöhter Durchleitungsentgelte des beklagten Stromnetzbetreibers.

Das OLG Düsseldorf sah die Passing-on-Defence als grundsätzlich zulässig an. Im vorliegenden Fall seien auch die Voraussetzungen erfüllt. Denn (i) sämtliche Wettbewerber des Klägers waren von der Überhöhung der Netzentgelte betroffen, (ii) die Endverbraucher konnten nicht ausweichen und schließlich war (iii) das Abnahmeverhalten der Endverbraucher nicht preiselastisch. Aufgrund dieser Tatsachen sah das OLG Düsseldorf das einfache Bestreiten des Klägers der vom Beklagten erhobenen Passing-on-Defence nicht als ausreichend an.

Ausblick

Das OLG Düsseldorf hat im Vergleich zu OLG Karlsruhe und KG Berlin die Verteidigungsmöglichkeiten gegen Kartellschadensersatzklagen gestärkt. Allerdings wird auch in Zukunft – wenn der BGH die Passing-on-Defence als zulässig anerkennen sollte – dieser Einwand nur selten greifen: Denn den Beklagten trifft die Beweislast, dass die Voraussetzungen der Passing-on-Defence vorliegen. Ferner hat das OLG Düsseldorf klargestellt, dass die Passing-on-Defence nur den Schaden erfasst, der durch die überhöhten Bezugspreise tatsächlich entstanden ist. Dagegen bleibt der Schaden, der dem Kläger dadurch entsteht, dass er wegen seiner aufgrund des Verstoßes höheren Verkaufspreise nur geringere Mengen im Markt absetzen kann, voll zu ersetzen.

Eine Klärung der Frage durch den BGH steht noch aus.

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