Geschlechtsneutrale Vergütung: Die europäische Entgelttransparenzrichtlinie

Hamburg, 20.12.2023

Nach der Anfang des Jahres vielbeachteten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu geschlechtsneutraler Vergütung und dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) (siehe unser Legal Update vom 24.02.2023) hat der europäische Richtliniengeber in der Zwischenzeit mit Erlass der Entgelttransparenzrichtlinie (EntgTranspRL) nachgelegt. Für Arbeitgeber beinhaltet die Richtlinie erhebliche Verschärfungen zum derzeit geltenden EntgTranspG. Der deutsche Gesetzgeber hat nun bis zum 7. Juni 2026 Zeit, diese Regelungen in deutsches Recht umzusetzen. Zwar gelten die Änderungen damit nicht sofort, dennoch sollten Arbeitgeber bereits jetzt sicherstellen, dass ihr Vergütungssystem den neuen Anforderungen (rechtzeitig) genügt. 

Die Ausgangslage: Das EntgTranspG in seiner derzeitigen Fassung

In seiner derzeitigen Fassung beinhaltet das EntgTranspG im Wesentlichen vier Verpflichtungen für Arbeitgeber: 

  • Geschlechtsabhängige Benachteiligungen bei der Vergütung sind verboten (§ 3 EntgTranspG), Entgeltsysteme müssen benachteiligungsfrei ausgestaltet sein (§ 4 EntgTranspG), 
  • Auf Anfrage von Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten sind diesen die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung des eigenen Entgeltes sowie des (Median-)Entgeltes einer zuvor benannten Vergleichstätigkeit zu nennen (§§ 10ff. EntgTranspG), 
  • Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten sind aufgefordert, ihre Entgeltregelungen in einem betrieblichen Prüfverfahren zu überprüfen (§ 17 EntgTranspG) und
  • Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts nach §§ 264 und 289 HGB verpflichtet sind, müssen einen „Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit“ erstellen, in dem insb. die Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern ausgeführt werden (§ 21 EntgTranspG). 

Die Änderungen durch die EntgTranspRL

Die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie wird diese Pflichten erheblich erweitern. Die EntgTranspRL erfasst Personengruppen und Arbeitgeber, die vom EntgTranspG bislang noch nicht erfasst sind – schafft darüber hinaus aber auch gänzlich neue Pflichten.  

Entgelttransparenz bereits für Bewerber

Art. 5 EntgTranspRL schafft eine Informations­verpflichtung des Arbeitgebers über die Entgelthöhe bereits im laufenden Bewerbungsverfahren. Der Arbeitgeber wird verpflichtet, alle Bewerber unaufgefordert über das „auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsgehalt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne“ zu informieren. Diese Informationen müssen vor Abschluss des Arbeitsvertrages zur Verfügung gestellt werden, sodass die Bewerber auf Basis dieser Information ihr Gehalt verhandeln können. 

Entgelttransparenz im laufenden Arbeitsverhältnis

Unaufgeforderte Information über die Kriterien zur Entgeltsfestlegung und -entwicklung

Die Informationspflichten des Arbeitgebers im laufenden Arbeitsverhältnis werden erheblich erweitert. Nach Art. 6 EntgTranspRL werden in Zukunft alle Arbeitgeber, unabhängig ihrer Beschäftigtenzahl, verpflichtet, ihre Beschäftigten unaufgefordert über die (objektiven und geschlechtsneutralen) Kriterien für die Festlegung des Entgeltes, der Entgelthöhe und der Entgeltentwicklung zu informieren. Dabei können die Mitgliedsstaaten Ausnahmeregelungen für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern schaffen und diese von der Verpflichtung ausnehmen. Es bleibt abzuwarten, ob Deutschland von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird. 

Erweiterung des Auskunftsrechtes

Das derzeit in §§ 10ff. EntgTranspG geregelte Auskunftsrecht der Arbeitnehmer wird erheblich erweitert. Die Beschränkung des Auskunftsrechtes auf Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten wird entfallen. Darüber hinaus müssen Arbeitnehmer gem. Art. 7 EntgTranspRL nicht mehr zuerst die Vergleichstätigkeit benennen, zu der sie Entgeltinformationen erhalten möchten. Die Umsetzung der EntgTranspRL wird Arbeitgeber vielmehr verpflichten, anfragenden Arbeitnehmern insbesondere nach Geschlecht aufgeschlüsselte Auskünfte über die durchschnittliche Entgelthöhen für alle Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie der anfragende Arbeitnehmer zu erteilen. Dabei soll den Arbeitnehmern auch die Möglichkeit gegeben werden, die Auskunftsansprüche über eine Arbeitnehmervertretung geltend zu machen. 

Berichterstattungs­pflicht über das Entgeltgefälle

Ebenfalls erheblich ausgeweitet wird die Berichterstattungspflicht der Arbeitgeber über das Entgeltgefälle des Unternehmens. Nach Umsetzung der EntgTranspRL werden alle Arbeitgeber mit mehr als 100 Arbeitnehmern verpflichtet, der (noch festzulegenden) zuständigen staatlichen Stelle Bericht über ein bestehendes Entgeltgefälle im Unternehmen zu erstatten. Dieser Bericht wird auch inhaltlich über die derzeitige Verpflichtung nach § 21 EntgTranspG hinausgehen und muss folgende Informationen enthalten: 

  • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle, 
  • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Bestandteilen, 
  • das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle, 
  • das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Bestandteilen, 
  • der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ergänzende oder variable Bestandteile erhalten, 
  • der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in jedem Entgeltquartil, 
  • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmern bei Gruppen von Arbeitnehmern, nach dem normalen Grundlohn oder -gehalt sowie nach ergänzenden oder variablen Bestandteilen aufgeschlüsselt. 

Gemeinsame Entgeltbewertung

Sollte dieser Bericht ergeben, dass in einer Gruppe von Arbeitnehmern zwischen der durchschnittlichen Entgelthöhe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Unterschied von mehr als 5% besteht und der Arbeitgeber diesen Unterschied weder rechtfertigen noch innerhalb von sechs Monaten korrigieren können, muss der Arbeitgeber mit einer Arbeitnehmervertretung eine gemeinsame Entgeltbewertung (Art. 10 EntgTranspRL) vornehmen. In dieser Entgeltbewertung soll die bestehende Entgeltsituation gemeinsam analysiert werden und Maßnahmen festgelegt werden, um die bestehenden Entgeltunterschiede zu beseitigen. Die Ergebnisse dieser gemeinsamen Entgeltbewertung muss der Arbeitgeber sodann der zu schaffenden Überwachungsstelle übersenden. Dabei kann die zuständige Arbeitsaufsichtsbehörde oder Gleichbehandlungsstelle aufgefordert werden, an der Beseitigung der Entgeltunterschiede mitzuwirken. 

Schadensersatz­anspruch und gerichtliche Durchsetzung

Die Mitgliedstaaten sollen bei der Umsetzung der EntgTranspRL weiter sicherstellen, dass Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Geschlechtes hinsichtlich ihres Entgeltes benachteiligt wurden, einen „vollständigen“ Schadensersatzanspruch haben und so zu stellen sind, als sei die festgestellte Benachteiligung nicht erfolgt. Der Schadensersatzanspruch wird also min. die „vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte“ umfassen, Art. 16 EntgTranspRL

Die gerichtliche Durchsetzung solcher Ansprüche wird durch die Einführung einer Verbandsklage erleichtert werden, Art. 15 EntgTranspRL. Die Mitgliedstaaten müssen demnach bei der Umsetzung der EntgTranspRL sicherstellen, dass „Verbände, Organisationen, Gleichbehandlungsstellen und Arbeitnehmer­vertreter oder andere juristische Personen“ sich an Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren über die Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit beteiligen können oder solche Verfahren sogar für den betroffenen Arbeitnehmer führen können. Darüber hinaus müssen die Mitgliedsstaaten Regelungen schaffen, die es den Gerichten erlauben auch bei einer Klageabweisung zu prüfen, ob der unterlegene, klagende Arbeitnehmer „berechtigte Gründe“ hatte, einen Anspruch wegen Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit gerichtlich geltend zu machen. Sollten derartige berechtigte Gründe vorliegen, soll der unterlegene Arbeitnehmer von den Verfahrensgebühren befreit werden. Die Durchführung von Gerichtsprozessen zur Durchsetzung von Ansprüchen auf Entgelt­gleichheit wird damit erheblich erleichtert. 

Ausblick 

Auch wenn die Regelungen der EntgTranspRL nicht unmittelbar gelten, sollten Arbeitgeber zeitnah Maßnahmen ergreifen, um zu prüfen, ob und inwieweit ihr derzeitiges Gehaltssystem den Anforderungen der EntgTranspRL genügt und sie ausreichend auf die Umsetzung der EntgTranspRL vorbereitet sind.

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